Die Idee dort an den vier Januar-Sonntagen ein koscheres
sechsgängiges Menü anzubieten, stammt von Dirk Zöllner und dem Koch, Theologen
und Musikmanager Elmar Werner. Dieser hat während mehrerer Austauschprogramme in
den renommiertesten Hotels Israels unter rabbinischer Aufsicht deutsche Küche
nach Koscher-Vorschriften zubereitet.
Die Menü-Folge lässt die Geschmacksnerven frohlocken: Challa,
das traditionelle Schabbat-Brot und Apfelscheiben mit Honig. Sie müssen sich das
so vorstellen: Sie versuchen auf einem Teller mit einer Gabel eine Apfelscheibe
aufzuspießen und in den Honig zu tunken. Sie sehen weder die Gabel, noch die
Apfelscheibe und auch den Honig nicht. Den Tellerrand erfühlen Sie mit einer
Hand. Es gelingt kaum die Apfelscheibe so auf der Gabel bei der Suche nach dem
Honig zu halten. Eingravierte Linien in den Holztischen erleichtern ebenso die
Orientierung, wie auch das gut platzierte Set, auf dem der Teller steht. Für die
Lage des Weinglases sorgen die Kellner: auf 13 Uhr. Für das Essen auf den
Tellern fehlt diese Orientierungshilfe leider.
Der Gefilte Fisch mit Mousse aus Rettich und Teltower Rübchen
klingt interessant. Die Teltower Rübchen habe ich leider nicht gefunden, dafür
das Mousse und das war gut. Suppen lassen sich in der absoluten Finsternis gut
essen. Ein Löffel, eine Henkel-Suppentasse erleichtern den Prozess wesentlich,
vor allem wenn größere Stücke darin schwimmen. Vor lauter Freude über die
gelungenen Treffer, wird der Gaumen nicht zu Höchstleistungen angespornt. Von
diesem Erlebnis beflügelt, wird der normale Esser kecker und greift nun mehr
oder minder ungeniert mit den Händen zu: Es sieht ja niemand. Gebratene
Entenbrust mit Kartoffelnknödeln und golden Karottenzimmes. Die Entenbrust
schmeckte mir eher nach Niere, vielleicht liegt es an meinem vegetarisch
eingestellten Gaumen, eine einzelne Karotte ich wirklich als Zufallstreffer mit
der Gabel erwischt. Und bei zartem Geflügelfleisch darf man selbst nach Knigge
mit den Fingern zugreifen.
Einfach war der Obstsalat aus Apfel, Apfelsinen und eventuell
Mango-Stücken. Danach konnte ich Ediths Kuchen wieder recht gut gabeln und er
schmeckte vorzüglich. Der angekündigte Kaffee fiel allerdings aus, heiße
Getränke werden aus Gründen der Verbrennungsgefahr nicht serviert.
Gefährlicher in anderem Sinne war da schon das Angebot
koscherer Weine die von Gärtner & Söhne geliefert und bereitgestellt wurden und
die anderen koscheren Spirituosen von Schilkin-Spirituosen, wie Kräuterliköre,
Wodka und Biere.
Einen genussvollen Abschluss bietet das anschließende Konzert
mit dem Efrat-Alony-Quartett in der angeschlossenen Dunkelbühne. Efrat Alonys
Repertoire umfasst modernen Jazz und israelische Liedtradition gleichermaßen,
die zu einem eigenen Stil verwoben werden. Ihre außergewöhnliche Stimme verleiht
der Dunkelheit ganz besondere Schwingungen.
Auch wenn die Idee erwähnenswert ist und die Initiative
lobenswert, so wünscht man sich doch zu sehen, was man auf dem Teller hat,
insbesondere da mit "koscher" besondere, meist falsche Vorstellungen verbunden
sind. Es wäre leichter sich an die erstklassigen sehbehinderten und blinden
immer humorvollen Kellner zu gewöhnen, als an das ungeschickte Tasten nach dem
Essen auf dem Teller. Es wird nicht jedem gelingen, alles wirklich auf die Gabel
zu bekommen – und das ist schade. Denn ein Menü lebt von allen Zutaten und wenn
eine fehlt, ist das Geschmacksspektrum nicht komplett, so wie gedacht und
geplant.
In diesem Restaurant werden die Rollen getauscht und die
sehenden Gäste werden zu Behinderten, die sich ohne die Hilfe der Kellner nicht
zurechtfinden. Stimme und Körperausstrahlung treten an Stelle der optischen
Reize und die Stunden in absoluter Dunkelheit reizen andere Wahrnehmungsbahnen.
Nachdenklich trat ich den Weg zur S-Bahn an. Der Regen glänzte auf dem Asphalt
und den Steinen ganz anders als sonst.
Das koschere Menü kostet einschließlich der Getränke 69 Euro,
der Eintritt in die Dunkelbühne zum Konzert, das um 20.30 h beginnt, kostet 12
Euro. Rabbiner Ehrenberg aus Berlin hat dem Menü seinen koscher-Stempel gegeben.
Trotzdem hätte ich mir dann doch eher exotischere Menü-Gänge aus Israel
gewünscht, insbesondere da mit koscher gerade im deutschsprachigen Raum immer
nur Gefilte Fisch verbunden wird, der nicht jedermanns Geschmack trifft.
Weitere Termine für das koschere Menü in der unsicht-bar: So
18. + 25. Januar und 1. Februar 2004;
Unsicht-bar,
Gormannstrasse 14, Mitte (U-Bhf. Weinmeisterstrasse, S-Bhf. Hackescher Markt)
Reservierungshotline: 030 / 2434 - 2500
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