taz: Hat Peter Eisenman einen
schlechten Witz gemacht oder einen guten Witz, der schlecht aufgenommen wurde?
Wolfgang Benz: Eisenman fühlt
wahrscheinlich eine missionarische Aufgabe, nämlich den Deutschen Humor
beizubringen. Er leitete sein Statement ja auch mit den Worten ein: To introduce
some humour in this debate. Nach der Zahnarzt-Anekdote wollte er zur
Tagesordnung übergehen. Mich wundert, dass diese geschmacklose Bemerkung, die
den ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Alexander Brenner,
tief traf, nun, im Abstand von Wochen, ihre Kreise zieht.
Brenner, die Mahnmalsinitiatorin Lea
Rosh und der Berliner Bausenator Peter Strieder sollen empört die Sitzung
verlassen haben.
Ja, aber erkennbar nicht aus Empörung, sondern um
Herrn Brenner zu trösten oder ihm Zuspruch zu geben. Außer Brenner kamen sie
auch alle wieder zur Sitzung zurück.
Die Szene hat ja eine Vorgeschichte.
Hat die heftige Erregung über Eisenman damit zu tun, dass er sich kürzlich gegen
den Willen einiger Kuratoriumsmitglieder im Streit um Degussa durchsetzte?
Selbstverständlich. Brenner war der Exponent
derjenigen, die unter allen Umständen nicht mit Degussa weiterarbeiten wollten.
Eisenman hatte sich aber als Pragmatiker für die Zusammenarbeit mit Degussa
stark gemacht. Das ist die Vorgeschichte. Umso unverständlicher ist es mir, dass
jetzt, Wochen später, dies zur großen Nachricht in den Medien erhoben wird.
Brenner will die mittlerweile erfolgte
Entschuldigung Eisenmans nicht anerkennen. Was steckt dahinter?
Neben persönlichen Empfindlichkeiten wird uns damit
auch wieder einmal die ganze Problematik dieses Unternehmens "Denkmal für die
ermordeten Juden Europas" deutlich gemacht. Wir können das Mahmal nicht gegen
die berechtigte Kränkbarkeit auf jüdischer Seite bauen. Wenn man den Prozess als
mühsames Miteinanderringen und schließlich der Annäherung versteht, dann hat das
sicherlich auch sein Gutes. Wenn Empfindlichkeiten aber genährt werden, nur um
die Schwierigkeit eines solchen Unterfangens deutlich zu machen, dann kann es
auch kontraproduktiv werden.
Ist dieser Eklat nicht auch die
Illustration einer kulturellen Differenz zwischen amerikanischen und deutschen
Juden im Umgang mit der Geschichte?
Ich möchte die kulturellen Unterschiede nicht
überbetonen. Eisenman ist ein amerikanischer Jude, dessen Familie nicht
unmittelbar vom Holocaust betroffen ist. Brenner andererseits steht für das
osteuropäische Judentum mit dieser ungeheuren Leidensgeschichte. Als Vermittler
in dem Degussa-Streit ist der Leiter des Jüdischen Museums, Michael Blumenthal,
aufgetreten. Ein amerikanischer Jude deutscher Abstammung. In einer früheren
Kuratoriumssitzung hielt er eine sehr bewegende Rede darüber, dass man trotz der
Vergangenheit, die nicht allein die Firma Degussa habe, weiterarbeiten muss.
Blumenthal sagte deutlich, dass, wenn man sich entschließt, dieses Mahmal zu
errichten, man sich auch dar$über im Klaren sein muss, wie kontaminiert das
Umfeld ist. Das klinisch reine Denkmal kann es nicht geben.
Ist am Ende also alles nur eine Frage
des persönlichen Stils von Peter Eisenman?
Ja, und dafür hat er sich ja nun auch entschuldigt.
Höher hängen würde ich das jetzt nicht.
Dennoch gab es gestern schon Stimmen
aus der Jüdischen Gemeinde, das Mahnmal sei ein "Horror". Bedeutet dies, es
kommt eine erneute Grundsatzdebatte?
Ganz offensichtlich kommt bei dieser Gelegenheit
der Zweifel wieder hoch, ob man das Richtige macht. Der Gesetzgeber hat sich mit
großer Mehrheit dafür entschieden, das Mahnmal zu bauen. Dadurch kommt zum
Ausdruck, dass wir Frieden mit den Gekränkten, den Beleidigten, den Nachkommen
der Ermordeten haben wollen. Das soll man auch nicht leichtfertig immer wieder
in Frage stellen.
Sie meinen, für Generalkritik ist es
jetzt zu spät.
Das Für und Wider ist ein Jahrzehnt lang debattiert
worden. Der Zentralrat der Juden und die Jüdische Gemeinde haben Sitze im
Stiftungskuratorium eingenommen und damit dokumentiert, dass sie dieses Denkmal
auch wollen.
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