Humor und Holocaust:
100 Punkte für dies Wagnis
10 Jahre Jewish Filmfestival Berlin - Der zweite Festivaltag
war dem Humor, insbesondere seiner schwarzen Variante gewidmet...
Von Gudrun Wilhelmy
In dem Film "Angst" von Judy Menczel
aus Australien, der bereits 1993 auf dem Festival lief, werden Komödianten aus
Australien, Neuseeland und den USA während ihrer Arbeit auf der Bühne und Privat
gezeigt. Alle drei sind Kinder von Shoa-Überlebenden und setzen sie sich
vielleicht gerade deshalb mit den Geschehnissen auch humoristisch auseinander.
Sie sprechen alle an, was das Schweigen über die Erlebnisse der Eltern und die
späte Auseinandersetzung damit, auch für sie persönlich für Folgen hatte. Hier
stellt der Film gekonnt das Bühnengeschehen hoch professioneller Kabarettisten
als eine Form der Überwindung der Beschädigungen der Second Generation
gegenüber. Die Trauer über die Geschehnisse in der Shoa sind private und
öffentliche zugleich, das Lachen über Komik im Unglück, wird hier zum
gemeinsamen Lachen von Opfern und Nicht-Opfern. Leider bleiben viele Pointen des
Film unverstanden, da hier wirklich nur ausgezeichnete Englischkenntnisse den
Witz verstehen lassen. So wichtig es ist, Filme „im Original“ zu sehen, so
wichtig ist es gerade für alle Wortkünste, vom Publikum verstanden zu werden.
Hier wäre eine Untertitelung hilfreich um auch einen größeren Publikumskreis
anzusprechen.
Hier sei ausnahmsweise auf eine mit dem Filmfestival verknüpfte Veranstaltung
hinzuweisen erlaubt:
Nach dem Film stellte sich Deb Filler, eine dieser Komödianten vor und nahm das
Publikum durch ihre Geschichten und ihren Humor ebenso gefangen, wie durch ihre
Professionalität. Sie wird täglich in der Berliner "Friends of Italian Opera"
www.thefriends.de vom 10. bis 16. Juni
außer am Sonntag zu erleben sein. Ihr Programm "Filler up"www.fillerup.ca
zwischen Schlankheitswahn und Challot backen, bestreitet sie mit ihrer Partnerin
Lowry Marshall. Auf Englisch, gesprochen ist es verständlicher als die
Bühnenaufnahmen im Film.
Und damit ist man nicht schlecht beraten. Graham Rose hat mit seiner wirklich
schwarzen Komödie "Mrs. Meitelmeihr"
die Lacher auf seiner Seite. Unter Beschuß und zwischen Feuerwänden rettet ein
bis in den Tod Getreuer Hitler. Statt in Argentinien bleibt er in London hängen
und wartet auf Geld und Hilfe. Sein Leben nimmt eine unerwartete Wende, als sich
sein jüdischer Nachtbar in ihn verliebt. Durchsetzt von der Regel, dass ein
Unglück als Glied einer Kette erweist, entfacht sich in 30 Minuten ein immer
hintergründiger doch niemals daneben liegender Humor.
In der gleichen Vorstellung lief
"Genghis Cohn" von Elijah Moshinsky, ein 1993 fertig gestellter Film. Vor
seiner Erschießung an eine der Leichengruben in einem Wald, dreht sich der
Komiker Cohn um und spricht seine Mörder auf jiddisch an. Keiner versteht was er
meint und auf diese Weise macht er sich ihnen unvergessen. Sechzehn Jahre später
erscheint er seinem Mörder, Polizeikommissar in einem bayerischen Dorf. Mit
Humor aus englischer Sicht wird das Bild einer bayerischen deftigen Welt mit
schwarzer Vergangenheit gezeichnet und der Komödiant Cohn hat seinen Spaß daran,
seine Opfer mit Humor und Intelligenz in ganz andere Bahnen zu lenken, als diese
sich je erträumt haben.
al /
hagalil.com / 2004-06-10
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