Jüdisches Filmfestival Berlin:
Unstrung Heroes
Der Eröffnungsfilm des diesjährigen Jewish Filmfestival – und
hier gibt es das 10jährige Bestehen wirklich Grund und Anlass zu feiern – unter
der Regie von Diane Keaton, nicht nur bekannt als Darstellerin in vielen Woody
Allan Filmen, ist ein Film der Extra-Klasse...
Von Gudrun Wilhelmy
Die Geschichte ist dramatisch: Eine junge schöne Mutter erkrankt
unheilbar an Krebs und die beiden noch kleinen Kinder sowie der Ehemann, ein
weltentrückter Erfinder, müssen sich dieser Situation stellen. Aber wie macht
dies ein Kind, ein liebender Ehemann, die Verwandten und die Mutter selbst?
Der 12jährige Steve muss sich wandeln, muss sich ändern, weil
die seelischen Prozesse dies unausweichlich machen. Er legt zwischen sich und
der geliebten Mutter, dem etwas skurrilen Vater räumlichen Abstand und zieht in
die von Verfolgung und Verlust behauste Welt der beiden psychisch auffälligen
Onkel. Ihre Lebenserfassung hilft ihm bei der Wandlung ebenso wie bei dem Weg
seine eigene Religion kennen zu lernen. Er setzt die lebensbejahenden Sätze
seiner Mutter um und stellt sich auch ihrem unausweichlichen Sterben.
Diane Keaton hat mit dieser Arbeit ein filmisches Meisterwerk
geschaffen: Die Kameraführung übernimmt hochprofessionell die Perspektive eines
Hobbyfilmers, der in das Innere der Wohnungen bis zu den Menschen vordringt. Sie
bleibt den Menschen fast auf der Haut sitzen, zeigt Ausschnitte, wie sie sich
einem visuellen Gedächtnis einprägen und entwickelt einen dokumentierenden Blick
ohne Distanz. Das Drama im Alltag wird sichtbar, aber auch die schwierige
Bewegung zwischen all den unterschiedlichen „Lebensplaneten“ der Individuen.
Filmisch gekonnt inszenierte Augenblicke oder Erinnerungsvideos, Überblendungen
in verblassenden Farben extrahieren den Erinnerungwert. Die Kostüme
repräsentieren den Außenblick der anderen und machen die Lebenssicht des Trägers
sichtbar.
Und das schönste am Film ist, dass jeder vom anderen etwas
lernt, weil Steve allen Lebensäußerungen auf allen „Planeten“ unvoreingenommen
begegnet. Sein Ernstnehmen auch der absurden Handlungen erweist sich als
wirksame Wundbehandlung. Denn das wichtigste ist, wie er seinen Vater zitiert
„die Dokumentation“.
Ein gelungener erster Filmabend, leider ohne Wiederholung an
einem der anderen Tagen. Den Titel sollte man sich merken: Unstrung Heroes“. Man
könnte sich diesen Film vielleicht auch für das Sommerwunschprogramm im Arsenal
wünschen, in dem alle Filme des Festivals zu sehen sein werden.
al /
hagalil.com / 2004-06-08
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