Synagogen-Survival-Guide
											Sie interessieren sich für jüdisches Leben und 
		möchten gern an einem G'ttesdienst in einer Synagoge teilnehmen. Sie 
		sind hin- und hergerissen und trauen sich aber nicht so recht, weil das 
		für Sie fremd ist. Sie kennen keine Juden persönlich, die Sie fragen 
		könnten. Vielleicht befürchten Sie auch, daß Sie sich "daneben benehmen" 
		könnten. Dann sind Sie richtig hier.  Auf dieser Seite möchte ich Ihnen einige Hinweise und Anregungen geben, 
		die Ihnen helfen, alle Unwägbarkeiten souverän zu umschiffen - soweit 
		das in einer solchen Situation möglich ist.  
											Eigentlich können Sie nicht allzu viel falsch machen, 
		wenn Sie sich normal respektvoll verhalten, trotzdem hilft es manchmal, 
		wenn einige Regeln klar angesprochen werden. Schließlich begeben Sie 
		sich in einen für Sie kulturell und religiös fremden Raum und im besten 
		Fall - und das wünschen ich Ihnen - gehen Sie bereichert von dieser 
		Erfahrung wieder nach Hause. 
											Hier soll es nun - auf neudeutsch - um die sogenannten 
											Do's 
      und Don'ts gehen oder etwas konventioneller ausgedrückt: 
		was man tut und was man besser läßt. Sehen Sie diese Gedanken als einen Leitfaden - eine Art Geländer an. 
		Niemand erwartet von Ihnen, daß Sie etwas über 
											jüdische Religion 
      oder jüdische Liturgie wissen. Dafür sind Sie ja gekommen: Um darüber 
		etwas zu erfahren. Wer sich aber dennoch schon einige Gebete oder 
		Liedtexte vorher anschauen möchte, findet sie 
											hier. 
											 Wie in anderen Religionen, so gibt es auch im Judentum 
											verschiedene Richtungen. Ich gehe 
		meistens in eine liberale Synagoge, die sich in einem Gebäude befindet, 
		das eine Touristenattraktion ist. Deshalb haben wir oft Gäste - einzelne 
		oder Gruppen - und haben uns auch überlegt, was für die Besucher und 
		Besucherinnen hilfreich zu wissen sein könnte. Auch viele Fragen von 
		Teilnehmern an meinen Führungen, Vorträgen und Seminaren sind in diesen Text 
		eingeflossen. Was ich Ihnen hier erzähle, gilt im allgemeinen auch für 
		orthodoxe Synagogen, ansonsten werde ich deutlich machen, was in 
		orthodoxen Synagogen anders ist. 
											Darf ein Nichtjude eine Synagoge betreten? 
											Manche Nichtjuden fragen sich, ob sie überhaupt in einer 
		Synagoge willkommen sind. Diese Zweifel sind völlig unbegründet. In den 
		Texten des Propheten Jesaja heißt es an einer Stelle: "Mein Haus ist ein 
		Haus des Gebets für die Völker". Ursprünglich war damit der Tempel in 
		Jerusalem gemeint. Heute sind die Synagogen die "Nachfolgeinstitutionen" 
		des Tempels.  
											Welchen G'ttesdienst soll man besuchen? 
											Um einen ersten Einblick zu bekommen, empfiehlt sich der 
		G'ttesdienst zum Schabbat- Eingang am Freitagabend. Der Schabbat geht 
		von Freitagabend bis Samstagabend, denn in der Schöpfungsgeschichte 
		heißt es immer wieder "und es ward Abend - und es ward Morgen ...". 
		Deshalb beginnt der Tag nach jüdischem Verständnis am Vorabend. Dieser 
		Abend- G'ttesdienst - Kabbalat Schabbat - dauert etwa eine gute Stunde, 
		wohingegen der Morgen- G'ttesdienst am Samstag 2 bis 2 ½ Stunden dauert, 
		was für jemand, der kein Hebräisch kann, schon etwas lang ist. 
											Wir möchten, daß die teilnehmenden Gäste als Beter 
		kommen und nicht als (Synagogen-) Touristen. Wir fühlen uns nicht wohl, 
		wenn wir wie Tiere im Zoo beglotzt werden. Als Beter kommen heißt nicht, 
		daß Sie mit jedem Satz der Liturgie übereinstimmen müssen - das tun wir 
		auch nicht, denn darin bündeln sich Erfahrungen von vielen Generationen. 
		Aber es bedeutet, daß Sie sich Zeit nehmen und auf den Gottesdienst mit 
		seiner Sprache, seinen Melodien und seiner Atmosphäre einlassen und 
		nicht nach 10 Minuten aus dem Raum stürzen. 
											Kontakt zur Gemeinde 
											Bevor Sie einen G'ttesdienst besuchen, ist es 
		empfehlenswert, daß Sie Kontakt mit der Gemeinde aufnehmen und dort 
		anrufen. Anders herum: Es gibt Synagogen, in die Sie auch als 
		Einzelperson nicht hineinkommen, wenn Sie sich nicht angemeldet haben. 
		Das hat mit Sicherheitsauflagen zu tun. Und es wäre doch schade, 
		wenn Sie sich umsonst auf den Weg gemacht hätten.
  In den meisten Fällen werden Sie als Einzelperson oder auch solange sie in 
		"Familiengröße" kommen, keine Schwierigkeiten haben. Wenn Sie mit einer 
		Gruppe kommen, ist es gut, sich vorher anzumelden. Da das Interesse am 
		jüdischen Leben groß ist, müssen Termine abgestimmt werden wenn mehrere 
		Gruppen gleichzeitig interessiert sind. Besonders wenn Sie im Rahmen 
		einer Reise an einem anderen Ort als Gruppe in eine Synagoge wollen, 
		sollten Sie so frühzeitig wie möglich Kontakt aufnehmen. In manchen 
		Gemeinden ist es möglich, daß Sie etwas vorher kommen und man Ihnen 
		einiges zum Ablauf erklärt. Für mich ist nichts nerviger im 
		G'ttesdienst, als wenn eine Gästegruppe da ist, die dauernd mit den 
		Füßen scharrt oder ganz angespannt da sitzt - in beiden Fällen, weil die 
		Leute nur nichts falsch machen wollen.
  Meistens werden Sie vermutlich schon deshalb telefonisch mit der Gemeinde 
		Kontakt aufnehmen um herauszufinden, wann genau der G'ttesdienst 
		stattfindet. 
											Dress-Code: Kleidung und Schmuck 
											Hier gibt es Unterschiede zwischen orthodoxen und 
		liberalen Gemeinden. Richtig liegen Sie auf jeden Fall, wenn Sie sich an 
		die Regeln halten, die Sie von Kirchenbesichtigungen in südlichen 
		Ländern kennen. 
  Da der Schabbat ein besonderer Tag ist, ist alles feierlicher und schöner 
		und herausgehobener als sonst. Das darf sich auch in Ihrer Kleidung 
		bemerkbar machen, wenn Sie sich damit wohlfühlen. Shorts, 
		Spaghetti-Träger, sowie Durchsichtiges sollten Sie zuhause lassen. In 
		orthodoxen Synagogen wird es oft nicht gern gesehen, wenn Frauen Hosen 
		tragen. Die Arme sollten bis über die Ellbogen bedeckt sein, die Beine 
		bis über die Knie und alles bis zum Hals sollte bedeckt sein. Aber 
		wundern Sie sich nicht allzusehr, wenn sich nicht alle an diese Regeln 
		halten. Nachdem ich einer Freundin diese Regeln erklärt hatte und sie 
		dann an einem heißen Sommertag in eine amerikanische Militärgemeinde 
		mitgenommen habe, die ich selber noch nicht kannte, saßen dort prompt 
		einige Frauen in Bermudashorts und Spaghetti-Trägern. 
  Jungen und Männer tragen in der Synagoge (und auch auf dem jüdischen 
		Friedhof) eine Kopfbedeckung. Dies gilt auch für Nichtjuden. Die 
		traditionelle Kopfbedeckung ist eine Kippa - ein Käppchen. Niemand 
		erwartet von Ihnen, daß Sie sich eine Kippa für diesen Anlaß kaufen. Sie 
		können einen Hut oder eine Mütze nehmen - aber keine Kopfbedeckungen aus 
		dem sportlichen Bereich, wie Baseball-Cape oder Motorradhelm (alles 
		schon vorgekommen !!!). Wenn Sie keine Kopfbedeckung zur Hand haben, dann sagen Sie jemand am 
		Eingangsbereich der Synagogen bescheid, dann wird man Ihnen eine geben. 
											 Wenn Sie am Samstagvormittag kommen, dann werden Sie auch Gebetsschals 
		(Tallitot) am Eingang vorfinden. Diese sind Juden vorbehalten. In 
		manchen liberalen Synagogen tragen auch Frauen eine Kippa oder einen 
		Tallit - wenn sie das möchten. 
											
											
											
											 Foto: Burkart Peter 
											Make up und Schmuck - in dezentem Ausmaß - sind völlig 
		o.k. Berücksichtigen Sie beim Tragen von Schmuck bitte, daß manche 
		Symbole für Juden (und andere) eine andere Bedeutung haben mögen als für 
		Sie. Wenn Sie als Christ Ihre christliche Identität durch das Tragen 
		eines Kreuzes zum Ausdruck bringen, dann - in der Synagoge - möglichst 
		unter dem Pullover oder T-Shirt. Für Juden und Jüdinnen - besonders wenn 
		sie ihre familiären Wurzeln in Mittel- und Osteuropa haben - ist das 
		Kreuz das Symbol, unter dem ihre Vorfahren verfolgt worden sind. 
											 
											...vor dem Synagogengebäude 
											Nun ist es soweit: Sie sind vor dem Synagogengebäude 
		angekommen. Wenn Sie noch keine Zeit gefunden haben um herauszufinden, 
		ob es sich um eine orthodoxe oder eine liberale Synagoge handelt, dann 
		ist jetzt der Zeitpunkt dafür. In liberalen Synagogen beten Frauen und 
		Männer zusammen - in orthodoxen getrennt, d. h. die Frauen sind meist 
		auf einer Empore. Entweder fragen Sie ganz direkt oder Sie schauen, 
		welchen Eingang Ihre Geschlechtsgenossen bzw. -genossinen nehmen und 
		schließen sich dann an. Wenn jemand Sie mit "Schabbat Schalom" grüßt, 
		dann grüßen Sie mit "Schabbat Schalom" zurück. Sie können auch selber 
		initiativ werden.  
											Grüßen Sie einfach so zurück wie Sie gegrüßt werden nach 
		regionalen Gegebenheiten. Ein orthodoxer Schweizer, den ich diesen Text 
		lesen ließ, meinte, in seiner Synagoge sei klar, daß jemand, der mit 
		"Schabbat Schalom" reinkommt, Christ sei oder Israeli.  Wenn Sie sich in orthodoxen Kreisen bewegen, ist es wichtig zu wissen, daß 
		man Menschen des anderen Geschlechts NICHT die Hand reicht. Dies braucht 
		Sie nicht zu irritieren und hat nichts mit Ihrer Person zu tun. 
  Auch Gemeinden sind sehr unterschiedlich, in welchem Ausmaß man auf Gäste 
		zugeht. Es kann sein, daß man Ihnen freundlich zunickt und Ihre Fragen 
		beantwortet. Vielleicht will man auch Ihre halbe Familiengeschichte 
		wissen. In den meisten Fällen wird es sich zwischen diesen beiden 
		Extremen bewegen.  
											Sicherheit 
											Beim Betreten der Synagoge wird in vielen Fällen eine - 
		mehr oder weniger intensive - Sicherheitskontrolle stattfinden. Unter 
		Umständen müssen Sie etwas warten. Rechnen Sie deshalb in Ihr Zeitbudget 
		zusätzlich 15 bis 20 Minuten ein. Es kann sein, daß Sie Ihre Handtasche 
		vorzeigen müssen. Sie können das umgehen, indem Sie keine Handtaschen 
		mitnehmen. Im orthodoxen Umfeld wird am Schabbat nichts getragen. 
											 Vielleicht müssen Sie auch durch einen Metalldetektor gehen. 
		Wahrscheinlich ist das für Sie ungewohnt und möglicherweise 
		abschreckend. Für Juden und Jüdinnen in diesem Land gehört das - was Sie 
		nun einmalig erleben - vielfach zum Alltag des öffentlichen jüdischen 
		Lebens. 
											...vor dem Synagogenraum 
											Wenn Sie in den eigentlichen Synagogenraum kommen bitten 
		Sie jemand um einen Sidur (Gebetbuch). Die Gebetbücher sind meist 
		hebräisch und deutsch, sodaß Sie mitlesen können - gelegentlich gibt es 
		für den hebräischen Text auch noch eine Umschrift. Sie können sich erst 
		einmal einen Platz aussuchen. In orthodoxen Synagogen gibt es feste 
		Plätze für die Beter. 
  Am Eingang ist meist jemand, der Ihnen sagen kann, wo Sie sich hinsetzen 
		können. Wenn nicht, dann suchen Sie sich einen Platz, aber wenn Ihnen 
		dann doch jemand deutlich macht, daß er/sie auf Ihren Platz möchte, dann 
		rutschen Sie einfach einen Platz weiter.  
											Was und warum wird überhaupt am Schabath gefeiert? 
											Damit Sie eine kleine Einstimmung haben und eine 
		Vorstellung, warum der Schabath so wichtig für Juden ist, habe ich einen 
		Text von Abraham Heschel, einen der wichtigsten jüdischen Theologen des 
		20. Jahrhunderts herausgesucht. Er schreibt:  
											
												"Man kann das jüdische Ritual als die Kunst 
		charakterisieren, der Zeit gültige Formen zu geben, als Architektur der 
		Zeit. Seine meisten Begehungen - der Sabbat, der Neumond, die 
		Festzeiten, das Sabbatjahr und das Jobeljahr hängen an einer bestimmten 
		Stunde des Tages oder der Jahreszeit. So bringt z.B. der Abend, der 
		Morgen oder der Nachmittag die Aufforderung zum Gebet mit sich. Die 
		Grundtatsachen des Glaubens liegen im Bereich der Zeit. Wir gedenken an 
		den Tag des Auszugs aus Ägypten, an den Tag als Israel am Sinai stand 
		und unsere messianische Hoffnung ist die Erwartung eines Tages, des 
		Endes der Tage.
  Sechs Tage der Woche kämpfen wir mit der Welt, ringen wir dem Boden 
		seinen Ertrag ab; am Sabbat gilt unsere Sorge vor allem der Saat der 
		Ewigkeit, die in unsere Seele gesenkt ist. Unsere Hände gehören der 
		Welt, aber unsere Seele gehört einem anderen. Sechs Wochentage lang 
		suchen wir die Welt zu beherrschen, am siebten Tag versuchen wir, das 
		Selbst zu beherrschen. 
  Drei Taten Gottes kennzeichnen den siebten Tag: Er ruhte, er segnete und 
		er heiligte den siebten Tag (1 Mose 2,2).
  Arbeit ist eine Fertigkeit, vollkommene Ruhe aber ist eine Kunst. Sie 
		ist das Ergebnis eines Einklangs von Körper, Geist und Phantasie. Um 
		einen Grad an Vollkommenheit in der Kunst zu erreichen, muß man sich 
		ihrer Ordnung unterwerfen, muß man der Trägheit abschwören. Der siebte 
		Tag ist ein Palast in der Zeit, den wir bauen. Er besteht aus 
		Einfühlsamkeit, Ausdruck der Freude und Suchen nach Ruhe. In seinem 
		Bereich erinnert eine feste Ordnung an die Nähe zur Ewigkeit... Was ist 
		so kostbar, daß es das Herz ergreift? Der Grund ist, daß der siebte Tag 
		eine Goldgrube ist, wo man das kostbare Metall des Geistes finden kann, 
		mit dem man den Palast in der Zeit baut, ein Bereich, in dem der Mensch 
		bei Gott zu Hause ist, ein Bereich, in dem der Mensch bestrebt ist, der 
		Gottesebenbildlichkeit nahezukommen ... Die Liebe zum Sabbat ist die 
		Liebe des Menschen für das, was er mit Gott gemeinsam hat. Daß wir den 
		Sabbattag haben, ist ein Hinweis darauf, daß Gott den siebten Tag 
		heiligte. 
  Der Sabbat ist eine Erinnerung an die beiden Welten - diese Welt und die 
		zukünftige, er ist ein Beispiel für beide Welten. Denn der Schabbat ist 
		Freude, Heiligkeit und Ruhe; Freude ist ein Teil dieser Welt, Heiligkeit 
		und Ruhe gehören zur kommenden.
  "Wie kostbar ist das Laubhüttenfest. Wenn wir in der Hütte weilen, wird 
		sogar unser Körper von der Heiligkeit der Mitzwa umgeben" sagte einst 
		ein Rabbi zu seinem Freund. Worauf dieser antwortete: "Der Sabbat ist 
		sogar noch mehr. Am Fest kannst du die Hütte für eine Weile verlassen, 
		der Sabbat dagegen umgibt dich, wo immer du hingehst".
  Menucha, was wir gewöhnlich mit "Ruhe" wiedergeben, heißt hier mehr als 
		Abstand nehmen von Arbeit und Anstrengung, heißt mehr als frei sein von 
		harter Arbeit, Mühe oder Tätigkeit irgendwelcher Art. Menucha ist kein 
		negativer Begriff, sondern etwas Reales und durch und durch Positives. 
		Das muß die Meinung der alten Rabbinen gewesen sein, wenn sie glaubten, 
		daß ein besonderer Schöpfungsakt nötig war, um sie zu schaffen, daß das 
		Universum ohne sie nicht vollkommen sein würde. "Was wurde am siebten 
		Tag geschaffen? Gelassenheit, Heiterkeit, Frieden und Ruhe" (Gen.rabba 
		10,9)
  Der Sabbat ist der Tag, an dem wir die Kunst lernen, über die 
		Zivilisation hinauszuwachsen...Die Lösung des schwierigsten Problems der 
		Menschheit liegt nicht im Verzicht auf technische Zivilisation, sondern 
		im Erreichen einer gewissen Unabhängigkeit von ihr... Am Sabbat leben 
		wir sozusagen unabhängig von der technischen Zivilisation. Wir enthalten 
		uns vor allem jeglicher Aktivität, die darauf abzielt, die Dinge des 
		Raumes zu erneuern und zu ordnen.
  Der Sabbat hat wie die Welt zwei Aspekte. Der Sabbat ist von Bedeutung 
		für den Menschen und von Bedeutung für Gott. Er steht zu beiden in 
		Beziehung und ist ein Zeichen des Bundes, den beide geschlossen haben. 
		Was ist das Zeichen? Gott hat den Tag geheiligt, und der Mensch muß den 
		Tag immer wieder heiligen, muß ihn erleuchten mit dem Licht seiner 
		Seele. Der Sabbat ist durch Gottes Gnade heilig und bedarf dennoch aller 
		Heiligkeit, die der Mensch ihm verleihen kann.
  Observanz des siebten Tages ist mehr als eine Technik zur Erfüllung 
		eines Gebotes. (Anm: Observanz ist die Gesamtheit der Gebote, wie und in welcher 
		Haltung man sie erfüllt)
  Es ist ein alter Gedanke, daß der Sabbat und die Ewigkeit eins sind - 
		oder gleichen Wesens. Eine Legende erzählt, daß Gott zu den Kindern 
		Israel sprach als Er ihnen die Tora gab: Meine Kinder! Wenn ihr die Tora 
		annehmt und meine Gebote befolgt, will ich euch auf ewig etwas höchst 
		Kostbares geben, das ich besitze Und was, fragten Israel "ist diese Kostbarkeit, die Du uns geben willst, 
		wenn wir Deine Tora befolgen?" 
												- Die zukünftige Welt - Zeige uns in dieser Welt ein Beispiel für die zukünftige - Der Sabbat ist ein Bild der zukünftigen Welt 
												Eine uralte Tradition erklärt: Das Kennzeichen der 
		zukünftigen Welt ist von der gleichen Heiligkeit, wie sie der Sabbat in 
		dieser Welt besitzt ... Der Sabbat besitzt eine Heiligkeit, die jener 
		der zukünftigen Welt gleicht.
  Dieser Gedanke, daß wir ein Siebtel unseres Lebens als Paradies erfahren 
		können, ist für die Heiden ein Ärgernis und für die Juden eine 
		Offenbarung.
  Das Gefühl für die Heiligkeit der Zeit drückt sich in der Art und Weise 
		aus, in der der Sabbat gefeiert wird. Um den siebten Tag zu halten, ist 
		kein ritueller Gegenstand nötig, anders als bei den anderen Festen, wo 
		solche Dinge für die Observanz wesentlich sind, wie z.B. ungesäuertes 
		Brot, Schofar, Lulaw und Etrog oder der Torahschrein. Am Sabbat 
		verzichtet man sogar auf die Gebetsriemen, das Symbol des Bundes, die an 
		allen Wochentagen getragen werden. Symbole sind überflüssig, der Sabbat 
		ist selbst Symbol... An jedem siebten Tag geschieht ein Wunder: die 
		Auferstehung der Seele, der Seele des Menschen und der Seele aller 
		Dinge..."
  (Abraham 
		Heschel: Der Sabbat, derzeit vergriffen, aber ab Herbst 2001 
		wieder bei der
        Jüdischen 
		Verlagsanstalt erhältlich) 
											 
											Zur Liturgie 
											Sie werden merken, daß der Schabbat-G'ttesdienst sehr 
		heiter und fröhlich ist. Es geht locker, jedoch niemals respektlos in 
		einer Synagoge zu. Kinder laufen umher. Man wechselt auch einmal einige 
		Sätze. 
  Es gibt keinen Priester oder Pfarrer, der eine zentrale leitende Funktion 
		im Ablauf hat. Der Kantor / Vorbeter (in liberalen Synagogen auch eine 
		Kantorin) führt das Gebet. Es gibt eine feste Liturgie. Die Gemeinde 
		betet gemeinsam. Manche Gebete werden im Sitzen und andere im Stehen 
		gesprochen. Die Übergänge sind fließend. und Gäste sollen sich einfach 
		anpassen. Wenn die Gemeinde aufsteht, stellt man sich auch hin, ohne 
		dabei aber Hektik zu verbreiten. 
  Nicht gesprochen wird während der 
											
											Amida 
      - auch 18-Bitten-Gebet oder Schemone Esre genannt- und wenn am Samstag aus 
		der Torah der Wochenabschnitt (Parascha haSchawua) gelesen wird. Wenn am Samstag 
		die Torahrolle durch die Synagoge getragen wird, dann stellen Sie sich 
		jeweils so hin, daß Sie der Torah-Rolle nicht den Rücken zuwenden, denn 
		das drückt mangelnden Respekt aus. Die Torah-Rolle wird von den Betern 
		(in liberalen Synagogen auch von den Beterinnen) nicht mit der Hand 
		berührt, sondern mit dem Tallit oder dem Gebetbuch. Wenn die Torah-Rolle 
		an Ihnen vorbeigetragen wird, können Sie sie auch - in der erwähnten Art 
		und Weise berühren - müssen aber nicht. Daß in jüdischen Texten - wie 
		auch diesem hier - "G'ttesdienst" nicht in der Ihnen gewohnten Form 
		geschrieben wird, ist auch ein Zeichen des Respekts. 
  Der Ablauf der Liturgie ist nicht in der gleichen Reihenfolge wie die 
		Gebete im Siddur stehen, sondern man überspringt mal ein paar Seiten 
		oder geht wieder zurück. Im Zweifelsfall schauen Sie doch bei Ihrem 
		Nachbarn rein. Und wenn er / sie auch nicht weiß, wo man gerade ist, 
		dann überlassen Sie sich den Melodien.
  Der Schabbat wird als Braut bezeichnet, die man empfängt. Bei dem Lied "Lecha 
		Dodi", für das es mehrere hundert verschiedene Melodien gibt, 
		dreht man sich an einer bestimmten Stelle symbolisch zur Tür um die 
		Braut Schabbat willkommen zu heißen.
  Niemand erwartet von Ihnen, daß Sie Details wissen, wann man sich verneigt 
		oder auch nicht. Außerdem gibt es da auch Variationen von einer Synagoge 
		zur anderen - lokale "Bräuche" (minhag makom), die nicht unbedingt 
		rational erklärbar sind und manchmal auch Hintergründe haben, auf die 
		man nicht so schnell kommen würde.
  Dazu hier meine Lieblingsanekdote: In einer Synagoge war es an einem bestimmten Platz üblich, wenn man 
		vorbeikam - sich zu verneigen. Eines Tages kam das Gespräch darauf und 
		niemand konnte beantworten, warum das so war, obwohl es dazu einige 
		Ideen gab. Man beschloß ein Mitglied der Synagoge, der schon seit 
		Kindesbeinen in dieser Synagoge gebetet hatte, zu befragen. Er überlegte 
		längere Zeit und sagte dann: "Wenn ich so darüber nachdenke... als ich 
		ein Kind war, hat man sich da nicht verbeugt... erst später aus 
		praktischen Gründen... als der Leuchter da hinkam, der so niedrig 
		hängt". 
											Kiddusch 
											Nach dem G'ttesdienst gibt es oft einen Kiddusch. 
		Gemeint ist damit ein Zusammensein mit einem Imbiß. Wenn am Ende des 
		G'ttesdienstes nicht ausdrücklich dazu eingeladen wird, können Sie 
		nachfragen, ob Gäste teilnehmen können. Dies ist in den meisten Fällen 
		kein Problem. Bei Synagogen die oft und viele Gäste haben ist es 
		manchmal so, daß man an bestimmten Schabbatot für sich sein möchte, denn 
		man ist ja die ganze Woche als Minderheit unter Nichtjuden. 
  Fragen Sie nach, ob es Stammplätze gibt bzw. wo Sie sich dazusetzen 
		können. Auch hier gilt die Regel: Wenn die anderen stehen, dann stehen 
		Sie auch bzw. wenn die anderen sitzen, dann sitzen Sie auch. 
											Missionare 
											Das Judentum ist keine Religion, die missioniert. Ein 
		leider zunehmend unerfreuliches Kapitel sind fromme Christen, die 
											Juden missionieren wollen. 
		Wenn Ihnen christliche Traktate - garniert mit jüdischen Symbolen - 
		zugeschoben oder überreicht, missionarische Gespräche aufgedrängt werden 
		oder Sie zu "Laubhüttenfesten" oder "Chanukka-Feiern" eingeladen werden, 
		die nicht in jüdischen Räumen stattfinden, dann ist Vorsicht geboten. 
		Fühlen Sie sich frei, diese Aktivitäten zurückzuweisen. Wenn Sie in eine 
		christliche Veranstaltung gehen hätten wollen, dann wären Sie diesen 
		Abend nicht in die Synagoge gegangen.
  Abgesehen davon drücken solche Aktionen auch aus, daß Juden und jüdische 
		Räume nicht als solche respektiert werden. Ich sehe es immer als ein 
		Zeichen der Solidarität mit uns, wenn nichtjüdische Gäste solche 
		missionarischen Attacken abblocken.
  In den meisten Fällen werden Gäste von Gemeindemitgliedern mit 
		freundlicher Zurückhaltung behandelt. Niemand soll sich verpflichtet 
		fühlen, wieder kommen zu sollen. Es ist völlig in Ordnung, wenn Sie 
		einmalig an einem G'ttesdienst teilnehmen wollen. Wenn Sie weiter 
		Kontakt haben wollen oder auch an anderen Angeboten interessiert sind, 
		wird man Ihnen im Gemeindebüro sagen, welche Möglichkeiten bestehen.
											 
											Geld 
											In Synagogen-G'ttesdiensten wird kein Geld gesammelt. Am 
		Schabbat und an den Feiertagen hält man sich von Geldangelegenheiten 
		fern, weil diese mit Alltag und Arbeit zu tun haben. Es wird nicht ge- 
		und verkauft. Manchmal möchten Gäste etwas spenden. Das ist nach 
		Schabbat möglich. 
											Zum Schluss: 
											Bitte haben Sie Verständnis, daß Sie Gebetbücher oder 
		Kippot nicht mitnehmen können. Sie werden in der Synagoge gebraucht. 
		Falls bei Ihnen der Wunsch entstanden ist, sich intensiver mit jüdischen 
		Gebeten zu befassen, können Sie den Sidur (Gebetbuch; Mz: Sidurim) in 
		jedem Buchladen oder im Internet 
		bestellen.
  Bitte lassen Sie Ihr Handy zuhause. Wenn Sie es dabei haben, dann schalten 
		Sie es bitte während des G'ttesdienstes aus. Foto- und Filmaufnahmen 
		sind am Schabbat nicht gestattet. Ebenso sollten Notizen wegen des 
		Schreibverbots unterbleiben. 
											Iris Noah 
											
											
											Glossar jüdischer Begriffe
											 
											Jüdisches Leben in Deutschland 
											Jüdisches Leben in Berlin 
											Sie können diesen Text gerne weiterverwenden. Ich bitte 
		Sie jedoch, mein Copyright zu respektieren und die Quelle, in diesem 
		Fall die URL haGalil onLine - http://berlin-judentum.de anzugeben.  |