antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Jüdische Weisheit
 
Sie finden hier zahlreiche Artikel aus dem 90er Jahren, d.h. aus den Anfangsjahren des WWW. Aktuellere Meldungen finden Sie im Nachrichtenarchiv unter Jüdisches Leben in Deutschland..., Antisemitismus, Rechtsextremismus..., Europa und die Welt... oder in den täglich aktuellen Nachrichten von haGalil.com...
Etliche Artikel in diesem Ordner entsprechen in Formatierung und Gestaltung nicht den heutigen Internetstandards. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Unterwegs?
Besuchen Sie auch die Seiten zu jüdischen Führungen in Berlin...

Trauer- statt Jubiläumsfeier:
Gemeindebibliothek in der Oranienburger Straße wird geschlossen

Wer derzeit in die Zweigstelle der Bibliothek der jüdischen Gemeinde in die Oranienburger Straße kommt, erfährt, daß Bücher spätestens bis 31. Januar 2002 zurückgegeben werden müssen, Entleihungen derzeit nicht möglich sind, sondern „ab Februar dann in der Bibliothek in der Fasanenstraße".

Ein Papierschild kündet von der aus „betrieblichen Gründen bis 31.01.02 geschlossenen Bibliothek". Die Sprachregelung wird bewußt diffus gehalten. Wer es wagt nachzufragen, was dies genau bedeutet, wird beschieden „so wie es da steht". Die Fakten, die gesetzt wurden, sprechen ihre eigene Sprache.

Renate Kirchner, die diese Bibliothek 1977 wieder begründet hat, kündigte bereits vor über einem Jahr an, sie werde zu Jahresende 2001 in den Ruhestand gehen. Eine Nachfolgerin wurde nicht gesucht. Aktuelle Zeitungen und Zeitschriften werden nicht in den Bestand eingearbeitet, die Öffnungszeiten wurden von einer Mitarbeiterin aus der Fasanenstraße abgedeckt, die bisher immer die Urlaubsvertretungen machte.

Der Bibliotheksstandort Oranienburger Straße zieht besonders diejenigen an, die zur jüdischen Geschichte Berlins Informationen suchen. Wer die Örtlichkeiten kennt, kann sich ausrechnen, daß aus Platzgründen der Bücher- und Zeitungs- bzw. Zeitschriftenbestand nicht in die Fasanenstraße überführt und dort eingegliedert werden kann.

Das 100jährige Jubiläum, das am 3. Februar 2002 an diesem traditionsreichen Ort zu begehen wäre, wird wohl ausfallen müssen oder auf die Fasanenstraße beschränkt werden.

Verein jüdische Lesehalle und Bibliothek

Zur Geschichte dieses Ortes schreibt Renate Kirchner: „Schon einige Jahre bevor die Jüdische Gemeinde den Beschluß fasste, eine Gemeindebibliothek zu gründen, gab es, als eine Initiative russisch-jüdischer Studenten und vorwiegend zionistischer Kreise, seit 1894 einen „Verein jüdische Lesehalle und Bibliothek". Sie waren zunächst in Privaträumen untergebracht, bevor sie sich 1897 in der Oranienburger Str. 28 (im Seitenflügel) etablieren konnten. Da der Buchbestand rasch anwuchs, erwiesen sich die Räume bald als unzureichend, so dass der Verein 1903 ins Vorderhaus des selben Gebäudes umzog.

Unabhängig von diesen privaten Aktivitäten beschloß die Repräsentantenversammlung der Gemeinde am 5.3.1899 den Aufbau einer Gemeindebibliothek. Bereits ein Jahr zuvor hatte Rabbiner Weise einen entsprechenden Vorschlag eingebracht.

Nach den notwendigen vorbereitenden Arbeiten wurde die Gemeindebibliothek am 3. Februar 1902 in angemieteten Räumen in der Oranienburger Str. 60-63 eröffnet. Der erste Bibliothekar, Jacob Fromer, Orientalist und Schriftsteller, der u.a. eine Auswahl aus dem Babylonischen Talmud herausgab, war nur vier Jahre in dieser Einrichtung tätig, da es unüberbrückbare Differenzen mit der Gemeindeleitung gab.

In den „Mitteilungen der Gemeinde über die Verwaltung der jüdischen Gemeinde zu Berlin" von 1907 wird angekündigt, dass das Haus Oranienburger Str. 28 gekauft worden sei und dass die Bibliothek nach erfolgtem Umbau dorthin übersiedelt. Ab 1910 waren die Bibliothek und das „Gesamtarchiv der deutschen Juden" nun in zweckentsprechenden Räumen untergebracht.

Inzwischen hatte Dr. Moritz Stern die Leitung der Bibliothek übernommen, der 1917 die „Kunstsammlung der Jüdischen Gemeinde" angegliedert wurde, aus der später das „Jüdische Museum" (1933) hervorging. Stern entwickelte die Bibliothek aus bescheidenen Anfängen zu einer ca. 70 000 Bände umfassenden Bibliothek und stand ihr fast drei Jahrzehnte vor. Er hatte eine rabbinische Ausbildung und konnte auf ein umfängliches wissenschaftliches Werk zurückblicken.

Die eingangs erwähnte „Jüdische Lesehalle und Bibliothek" war noch vor der Eröffnung der Gemeindebibliothek aus dem Gebäude in ihr letztes Domizil (Oranienburger Str. 58) umgezogen, bevor ihre Bestände, die inzwischen auf über 11 000 Bände und Periodica angewachsen waren, den Grundstock für eine Filialbibliothek der Gemeinde in der Fasanenstr. 79/80 bildeten (ab 1920).
Dieser Filialbibliothek wurden weitere hinzugefügt. Der „Wegweiser durch die Jüdische Gemeinde zu Berlin" von 1937 weist nach, dass inzwischen auch in Neukölln, Friedenau, Schöneberg, in der Frankfurter Allee (Osten), in Schmargendorf, Pankow und Tempelhof Zweigbibliotheken entstanden waren.

Diese positive Entwicklung eines jüdischen Bibliotheksnetzes in Berlin nahm nach der Pogromnacht 1938 ein jähes Ende. Jacob Jacobsohn, langjähriger Leiter des „Gesamtarchivs der deutschen Juden" notierte in seinen unveröffentlichten Memoiren: "... dass das Reichssippenamt seine auf Juden bezügliche Abteilung in das Gebäude Oranienburger Str. 28 verlegte und immer mehr Raum für sich beanspruchte, besonders, nachdem die Bibliothek der Jüdischen Gemeinde im Sommer 1939 beschlagnahmt und abgeholt worden war, so dass deren Räumlichkeiten mit ihren Regalen der Abteilung des Reichssippenamtes zur Verfügung standen."

Einige wenige Bücher aus dem Bestand der ehemaligen Gemeindebibliothek sind auf verschiedenen Wegen später zurückgekehrt an ihren Ursprungsort.

Erste Versuche der wiederbegründeten Gemeinde, nach der Befreiung, eine Bibliothek zu etablieren reichen zurück in das Jahr 1952. Aber erst mit dem Aufbau des Gemeindehauses in der Fasanenstr. wurde dort dann 1959 auch eine Bibliothek eröffnet, die bis heute besteht und in Kontinuität erweitert und ausgebaut wurde. Über lange Jahre betreute Jürgen Landeck diese Einrichtung, bevor seine Stelle Arkady Fried einnahm, der sie bis heute leitet.

In der separaten Ostberliner Jüdischen Gemeinde wurde, nach 3jähriger ehrenamtlicher Vorbereitungszeit durch Renate Kirchner, am 16.November 1977 eine Bibliothek an historischem Ort eröffnet.

Da die Verlagsproduktion der DDR zwar eine Vielzahl belletristischer Titel aufwies, jedoch kaum Sachliteratur zu jüdischen Themen, mußte nach anderen Möglichkeiten gesucht werden. Eine entscheidende Voraussetzung für den kontinuierlichen Auf- und Ausbau des Bestandes war deshalb die, in Abstimmung mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen, erfolgte Erteilung einer „Sondergenehmigung zur Einfuhr von Literatur aus dem kapitalistischen Ausland" (1979). Auf dieser Grundlage erreichten die Bibliothek ohne Einschränkung Buchgeschenke von jüdischen und nichtjüdischen Institutionen und Einzelpersonen. Die Literaturhandlung von Rachel Salamander in München war während dieser Jahre zudem ein wichtiger Partner, über den auch gezielte Bestellungen liefen.

Obwohl mit zunächst nur 2119 Bänden noch eine sehr kleine Bibliothek, wurde sie bereits 1978 Mitglied des Bibliotheksverbandes der DDR, gründete einen Bibliotheksbeirat (1979), dem u. a. der Schriftsteller Heinz Knobloch angehörte und hatte intensive Beziehungen zur „Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände" bei der Deutschen Staatsbibliothek.

Mit der Schaffung der „Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum" am 5.7.1988 und dem dann entwickelten Konzept für den Wiederaufbau des Gebäudekomplexes Oranienburger Str. 28-30 wurden auch die Rekonstruktion der einstigen historischen Bibliotheks- und Magazinräume beschlossen.

Die Vereinigung der beiden Berliner Jüdischen Gemeinden ab Januar 1991 änderte den Status der Bibliothek Oranienburger Str. – sie wurde als Zweigstelle in die Bibliothek Fasanenstr. integriert. Im November des gleichen Jahres erfolgte der Rückzug in das inzwischen rekonstruierte Haus. Unsicherheiten über die künftige Nutzung verzögerten zunächst die geplante Möblierung, die dann aber im Dezember 1993 doch realisiert wurde. Obwohl eine, insbesondere seit der Eröffnung des „Centrum Judaicum" (Mai 1995), notwendige neue Konzeption für die beiden Bibliotheksstandorte in der Folgezeit nicht zustande kam, wurde mit der Einrichtung einer Mediothek (April 1996) zumindest der Beginn einer längst überfälligen Profilierung angestrebt.

Mit der, am historischen Standort und im Bewusstsein ihrer Geschichte, wiedergeschaffenen Bibliothek wurden überaus günstige Bedingungen für die Nutzung der Bestände und wissenschaftliches Arbeiten geschaffen. Das unterstützen vor allem der Lesesaal mit seinen 12 Arbeitsplätzen und das in drei Ebenen vorhandene Magazin sowie der Umstand, dass das Archiv und die Bibliothek – wie vor ihrer gewaltsamen Auflösung – wieder unter einem Dach vereint sind.

Nun ist zu hören, dass die Bibliothek Oranienburger Str. geschlossen werden soll. Am 3. Februar 2002 müßte dann wohl nicht zu einer Geburtstags- sondern zu einer Trauerfeier eingeladen werden?!" (Renate Kirchner)

Prof. Dr Abraham Geiger sagte zur Eröffnung der Gemeindebibliothek in Breslau 1861:
„Der beredste Zeuge von der Achtung für die geistige Arbeit ist die Gründung und Erhaltung einer Bibliothek; sie ist nicht bloß eine Nahrung des Geistes, sie ist zugleich ein Denkmal des Geistes, wo unsere Ahnen im tiefsten Lebensgehalte versammelt sind, wo die Geister Rede stehen von ihrem Wirken zu ihrer Zeit und ihr Unvergängliches uns freudig zu frischer Belehrung darbieten. Eine Bibliothek stellt uns bildlich das Band der Zeiten dar, wie das graue Altertum sich mit der frischen Gegenwart verschlingt, die einigende Kraft des Geistes, die alle Störungen und Zersplitterungen überdauert. - Eine Jüdische Gemeinde-Bibliothek ist der Ausdruck der Achtung für den Geist, welcher im Judentum waltet und waltet".

Dies gilt auch heute nach wie vor, und daran muß sich auch im Jahr 2002 die jüdische Gemeinde zu Berlin messen lassen. Man möchte es den für diese Entscheidung Verantwortlichen ins Gästebuch schreiben, wenn es denn eines gäbe.

Wer sich aber per e-Mail dazu äußern möchte, dem sei die Adresse der Repräsentantenversammlung, dem Leitungsgremium der Gemeinde ans Herz gelegt rv@jg-berlin.org. Für den Bereich Kultur ist Herr Moishe Waks und für Personalangelegenheiten Herr Meir Piotrkowski zuständig.

Iris Noah

Archive und Bibliotheken
Terminkalender

Startseite
English Content


DE-Titel
US-Titel


Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2008 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved