Berlinale
2004:
Abrazo Partido (Lost
Embrace)Von Gudrun Wilhelmy
Mit großem Tempo beginnt der Film "El
Abrazo Partido", mit einer Kamerafahrt, die Ariel (Juan José Flores Quispe)
im schnellen Lauf durch das Einkaufszentrum folgt, in dem viele kleine
Ladenbesitzer ihr Geld verdienen. Diese von Italienern betriebene
Shopping-Mall, direkt neben der Synagoge in einem Viertel von Buenos Aires,
ist eine Welt für sich und zugleich Heimat für viele.
Ariels Mutter hat hier einen Laden für
Damenwäsche, sein Bruder verkauft Spielzeug und Nippes, Koreaner betreiben
einen Feng Shui Laden und es gibt u.a. auch ein Internetcafé. Ariel weiß
wenig mit sich anzufangen. Sein Architekturstudium hat er abgebrochen.
Aufgrund der desolaten wirtschaftlichen Situation sieht er keine Perspektive
für sich. Er möchte nach Europa und speziell nach Polen, weil seine
Großmutter von dort stammt. Sie will an die Zeit in Polen, die sie im Ghetto
überlebt hat, nicht mehr erinnert werden und meint, auch heute noch seien
Juden in Europa noch in Gefahr. Er braucht jedoch von ihr Papiere, ohne die
es keine Auswanderung und damit keine Zukunft in Europa für ihn gibt.
Während eines Sackkarren-Rennens, das die
Ladenbesitzer gemeinsam veranstalten, taucht plötzlich Ariels Vater auf, der
kurz nach seiner Geburt nach Israel ausgewandert ist. In Ariel bricht die
jahrelange Wut und Enttäuschung gegen diesen Mann hervor, dem er
unverantwortliches Verhalten vorwirft. Der Rabbiner übersetzt ihm die
Scheidungsurkunde seiner Eltern. Ein Familiengeheimnis wird offenbar und
erst allmählich erkennt er die Zusammenhänge, die ihm jahrzehntelang
verschwiegen worden waren und beginnt manches in einem anderen Licht zu
sehen.
Daniel Burman (Regie und Drehbuch mit
Marcelo Birmajer) skizziert die Charaktere und belässt ihnen sehr viel
Individualität und Integrität. Sein Bild von Frauen ist allerdings
einseitig: Mutter oder anhängliches Hühnchen, viel mehr Bewegungsfreiheit
haben sie nicht und begehren auch nicht dagegen auf. Hier ist die Schwäche
des Filmes, der durch diese Eindimensionalität eine intakte Männerwelt
zeigt, wie sie so nicht mehr funktionieren kann. Ein schöner Film, der
jüdische Momente mit aufnimmt, ohne sie zu plakatieren, als
selbstverständlichen Bestandteil des Lebens.
Der Film, ein guter Unterhaltungsfilm,
läuft im Wettbewerb der Berlinale 2004 und ist noch am 10.2. um 15:00 h und
21:00 h im Royal Palast zu sehen.
Regie: Daniel Burman
Argentinien, 100 '
Drehbuch: Daniel Burman, Marcelo Birmajer
Kamera: Ramiro Civita (Die Kamera setzt die Ruhelosigkeit Ariels sehr gut
um)
Schnitt: Alejandro Brodersohn
Darsteller: Daniel Hendlert (Ariel), Sonia (Adriana Aizemberg), Jorge D’Elia
(Elias), Sergio Boris (Joseph), Diego Korol (Mitelman), Atilio Pozzobón
(Saligani Senior), Silvina Bosco (Rita), Isaac Fajn (Osvaldo), Salo Pais
(Marcos El Colorado), Estela (Melina Petriella), Norman Erlich (Rabbi
Benderson), Rosita Londner (Großmutter) und Juan José Flores Quispe (Ramon)
Filme zu jüdischen Themen, Israel / Nahost und
Minderheiten auf der Berlinale 2004
und Filmkritiken finden Sie während der Berlinale auf der Startseite von
haGalil online www.hagalil.com.
hagalil.com
10-02-04
|