Feierliche Eröffnung:
Das Denkmal soll kein Schlusspunkt sein
Vor hunderten Gästen und fast der gesamten Staatsspitze wurde
das Holocaust-Mahnmal in Berlin feierlich eröffnet...
Von Philipp Gessler, taz v. 11.05.2005
Es war wie fast immer beim "Denkmal für die ermordeten
Juden Europas", das gestern feierlich eröffnet wurde. Eigentlich war schon alles
zuvor gesagt, geschrieben, gezeigt worden - und doch wurden alle am Ende noch
einmal überrascht. Wie so häufig in den vergangenen 17 Jahren seiner Entstehung.
Überrascht von Reden, die den Ton trafen und stets mahnten, dass die Erinnerung
an das Verbrechen bleiben muss, auch wenn bald alle Zeitzeugen verstummen.
Und diese Überraschung hatte vor allem mit einer dieser
Zeitzeugen zu tun, der Holocaust-Überlebenden Sabina van der Linden. Die
zierliche ältere Dame wuchs auf in einem kleinen Ort in Polen und lebt heute in
Sydney.
Als 11-Jährige erlebte sie ab Juli 1941 erste Pogrome,
nachdem die Deutschen ihre Heimat besetzt hatten. Sie schilderte bei der Feier,
wie unverständlich ihr damals die Morde, die Vergewaltigungen blieben und die
vielen Beschränkungen, denen sie nun ausgesetzt war - bis zum Verbot, einen Hund
zu haben. Sie erzählte, wie sie von ihrer Mutter getrennt wurde, die sie nie
wiedersehen sollte. Wie sie eine Weile von einer nichtjüdischen Familie
versteckt wurde. Wie sie schließlich im Wald überlebte, während ihr Vater und
ihr Bruder in einem Arbeitslager erschossen wurden, weil sie zu fliehen versucht
hatten. Und das wenige Tage vor der Befreiung ihrer Heimat im August 1944. Am
Ende ihrer Rede erhielt Sabina van der Linden als einzige Rednerin stehende
Ovationen von den hunderten Gästen der Eröffnungsfeier - darunter fast die
gesamte Staatsspitze wie Bundespräsident Horst Köhler und Kanzler Gerhard
Schröder.
Dahinter verblassten die Reden der anderen Feiergäste -
obwohl auch sie meist bewegend und klug waren. Bundestagspräsident Wolfgang
Thierse bedankte sich als Bauherr für die Vollendung "einer Aufgabe an der
Grenze dessen, was einer sozialen Gemeinschaft möglich ist": die Erinnerung an
das größte Verbrechen ihrer Geschichte inmitten der eigenen Hauptstadt. Er
mahnte, das Denkmal dürfe nicht, "der steinerne Schlusspunkt" der Erinnerung
werden. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, bemängelte zwar,
dass das Denkmal zu wenig aufkläre über die Täter des Holocaust, lobte
gleichwohl die beste Absicht und das "künstlerisch beeindruckende" Denkmal.
Der Architekt Peter Eisenman räumte ein, dass das
Denkmal anders geworden sei als ursprünglich geplant. Dennoch sei es durch die
Debatten und Veränderungen besser geworden. Auch jetzt, am Schlusspunkt, solle
die Debatte weitergehen. Zugleich erklärte er, dass ihm die Arbeit am Denkmal
seine jüdische Religion wieder näher gebracht habe. Und: "Ein Teil meiner Seele
wird ab heute hier in Berlin sein", sagte der New Yorker.
Das Schlusswort gebührte Lea Rosh, der oftmals
angefeindeten Vorstandsvorsitzenden der Bürgerinitiative, die das Mahnmal 1988
angeregt hatte. Sie bedankte sich bei allen, die auch in zweiter Reihe über 17
Jahre das Denkmal erkämpft hatten. Nicht zuletzt bei ihrem Mann Jakob
Schulze-Rohr, der sie immer angehalten hatte, trotz aller Widerstände weiter zu
machen. Sie zitierte ihn mit einem Satz, der vielleicht bleiben wird - auch nach
der Eröffnung des Mahnmals: "Es lebt sich jetzt leichter in diesem Land."
Denkmäler in Berlin
Abdruck mit
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al /
hagalil.com / 2005-05-11
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