Hannah Karminski (1897 -
1942): "Das Judentum als Lebensgrundlage"
Als Tochter eines Bankiers wird Hannah Karminski
1897 in Berlin geboren. Im Pestalozzi-Fröbel-Haus lässt sie sich als
Kindergärtnerin ausbilden. Danach geht sie nach Hamburg um bei Gertrud
Bäumer am sozialpädagogischen Institut zu studieren. Mitte der zwanziger
Jahre zieht sie nach Frankfurt/Main. Dort stellen Begegnungen mit
führenden Frauen des Jüdischen Frauenbundes die Weichen für ihr weiteres
Leben.
Berta Pappenheim hatte 1904 den
jüdischen Frauenbund gegründet, der bis 1933 auf 50 000 Mitglieder
im Deutschen Reich anwachsen sollte. Diese waren in Ortsgruppen
organisiert. Sie bauten mit der Zeit ein weitverzweigtes Netz
vielfältiger sozialpolitischer und sozialarbeiterischer Aktivitäten auf:
Beratungsstellen, Kindererholungsheime, geistig-kulturelle Arbeit,
Bildungsarbeit, Mutter- und Kinderschutz... 1909 wurde die jüdische
Bahnhofshilfe gegründet. Zu dieser Zeit kommt eine Vielzahl ostjüdischer
Frauen in die Großstädte auf der Suche nach einem besseren Leben. Ihr
aufenthaltsrechtlicher Status ist oft ungesichert. Sie wissen nicht um
ihre potentielle Gefährdung durch Frauenhandel und Prostitution. Mit den
um ein Jahrzehnt früher gegründeten christlichen Bahnhofsmissionen gibt
es eine vielfältige Zusammenarbeit: So werden gemeinsam Plakate
gedruckt, die in Zügen und auf den Wohlfahrtsbrettern der Bahnhöfe
aushängen. Auch Bahnhofssammlungen und sogar die Fortbildung der
ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen wird zum Teil gemeinsam durchgeführt.
1924 wird Hannah Karminski Mitglied des Jüdischen
Frauenbundes (JFB) und auch die engste Freundin und Mitarbeiterin der
fast 40 Jahre älteren Berta Pappenheim. Ein wichtiges Anliegen ist
Hannah Karminski die Berufstätigkeit und die Gleichberechtigung
jüdischer Mädchen und Frauen in der Gemeinde. Mit ihrer professionellen
Ausbildung und ihrer Begabung in einer Organisation sinnvolle Strukturen
zu entwickeln wird sie eine tragende Säule des
Jüdischen Frauenbundes.
Schon bald übernimmt sie die Hauptgeschäftsführung und
wird Herausgeberin der seit 1924 monatlich erscheinenden
Verbandszeitschrift „Blätter des Jüdischen Frauenbundes für Frauenarbeit
und Frauenbewegung". Als Quelle all ihres Tuns bezeichnet sie
"tiefempfundenes Bekenntnis zum Judentum als Lebensgrundlage."
1933 wird die jüdische Bahnhofshilfe kurz nach der
Machtübernahme der Nationalsozialisten aufgelöst. Maßgeblich dafür waren
dafür Aktivitäten eines leitenden Diakoniepfarrers der evangelischen
Bahnhofsmission. Er hoffte durch dieses "Bauernopfer" seine Institution
länger über die Runden zu bringen. Die Konsequenzen der fortschreitenden
Ausgrenzung und Entrechtung beginnt sich immer massiver auf den Alltag
auszuwirken. Durch den Verlust der Arbeitsstellen werden immer mehr
Familien von Leistungen der jüdischen Wohlfahrtspflege abhängig. Je mehr
sich die Situation verschärft, umso mehr Juden kommen aus Dörfern und
Kleinstädten nach Berlin und in andere Großstädte. Juden werden aus der
NS-Wohlfahrt ausgeschlossen. Als Folge davon wird 1935 die jüdische
Winterhilfe gegründet, in der sich auch der Jüdische Frauenbund
engagiert. Kleiderkammern, Kinderlesestuben, koschere Suppenküchen,
Pfundpakete und Brennstoffversorgung sowie Kurse in Haushaltsführung
müssen organisiert werden, aber auch persönlicher Beistand und
psychologische Unterstützung werden geleistet.
Eine zusätzliche Belastung für Mütter besteht darin,
dass die Kinder in der Schule diskriminiert werden und an bestimmten
schulischen Aktivitäten nicht mehr teilnehmen dürfen. Einzelne
Ortsgruppen organisieren auch Maßnahmen der sogenannten "seelischen
Winterhilfe" wie Wohltätigkeitskonzerte, Lesenachmittage und
Ausstellungen jüdischer Künstlerinnen. Organisationen für berufstätige
Frauen wurden von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet und Jüdinnen
aus diesen ausgeschlossen. Daraufhin gründete der Jüdische Frauenbund
Gruppen für diese - noch - berufstätigen Jüdinnen, die vorher nicht
Mitglieder im JFB waren. Ein wichtiges Anliegen ist darüber hinaus, die
Stärkung und Festigung jüdischer Identität und die Vertiefung jüdischen
Wissens durch Vorträge und Gesprächsrunden. Zunehmend nimmt auch die
Vorbereitung auf die Emigration immer breiteren Raum ein. 1938 wird der
Jüdische Frauenbund aufgelöst. Hannah Karminski arbeitet danach in der
"Reichsvertretung der Deutschen Juden" in der Charlottenburger
Kantstraße. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die Leitung der Abteilung
"Fürsorge und Auswandererberatung". Dort unterstützt sie jüdische Frauen
und Kinder bei der Vorbereitung und Durchführung der Emigration.
Sowohl ihre internationalen Verbindungen durch den
jüdischen Frauenbund als auch ihr familiärer Hintergrund hätten ihr eine
Auswanderung ermöglichen können. Sie verzichtet auf diese Chance um der
Menschen willen, die sie hier brauchen. Zuletzt wohnt sie in einem
"Judenhaus". 1942 wird sie deportiert und ermordet. Der genaue Todesort
und das Todesdatum sind nicht bekannt.
Im Oktober 2002 wurde eine Straße im Bezirk
Charlottenburg nach ihr benannt.
Der Jüdische Frauenbund
"Von Salon keine Spur":
Der Jüdische Frauenbund nach 1945
Berta
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23-10-02
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