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Bertha Falkenberg:
Eine Spurensuche

Von Lara Daemmig

Im "Jüdischen Adressbuch für Gross-Berlin" von 1931 ist der Name Bertha Falkenbergs (1876 - 1946) in der Liste der "Hervorragenden jüdischen Persönlichkeiten Berlins" zu finden. Mit dieser Ehrung, die nur sehr wenigen Frauen erwiesen wurde, sollte ihr verdienstvolles Wirken als Vorsitzende des Verbandes Berlin des Jüdischen Frauenbundes, den sie von 1924 bis 1938 leitete, und als Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, der sie ab 1927 angehörte, gewürdigt werden. Bertha Falkenberg bereicherte das jüdische Gemeindeleben auf vielfältige Weise. Ihr Engagement zum Wohle der jüdischen Gemeinschaft in Berlin in den zwanziger und dreißiger Jahren soll in dem folgenden Artikel beleuchtet werden.

Bertha Anna Ginsberg wurde am 8. April 1876 in Berlin geboren. Die ausgebildete Lehrerin gab, wie damals üblich, ihren Beruf nach ihrer Verlobung mit ihrem Kollegen Hermann Falkenberg auf. 1902 heiratete sie, 1903 und 1905 wurden ihre beiden Kinder geboren.

Eine der ersten Frauen in der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin

Mit den Wahlen zur Repräsentantenversammlung am 16. Mai 1926, acht Jahre nach der Einführung des allgemeinen Frauenwahlrechts in Deutschland, wurde in der Berliner Jüdischen Gemeinde Frauen das aktive und passive Wahlrecht gewährt und so gehörten dem neugewählten Gemeindeparlament zum ersten Mal Frauen an, unter ihnen auch Bertha Falkenberg, die Vorsitzende der Berliner Ortsgruppe des Jüdischen Frauenbundes (JFB).

Im November 1924, hatte die Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit den Stimmen der Liberalen und der Volkspartei beschlossen, das aktive und passive Frauenwahlrecht einzuführen. Während es einerseits Bedenken gab, Frauen das passive Wahlrecht zu gewähren, weil sie dadurch gegen ihren Willen politisiert und aus der jüdischen Häuslichkeit herausgerissen werden würden, betonten vor allem die Vertreter der Liberalen, das es nur eine Forderung der Gerechtigkeit wäre, dass Frauen, die "zum Teil auch steuerzahlende Mitglieder der Gemeinde sind, an den Rechten ebenso beteiligt werden wie an den Pflichten". Die für den Herbst 1925 geplanten Wahlen wurden um ein halbes Jahr verschoben, da neue Wahllisten, die auch die weiblichen wahlberechtigten Gemeindemitglieder enthielten, erstellt werden mussten. Da es nach der Stimmabgabe im Mai 1926 Proteste gegen das Wahlergebnis gab, die einer Prüfung bedurften, konnte die neugewählte Repräsentantenversammlung erst 14 Monate nach der Wahl zum ersten Mal zusammentreten. Zwei Repräsentantinnen waren in das aus 21 Mitgliedern bestehende Gemeindeparlament eingezogen: Bertha Falkenberg, die der Liberalen Partei angehörte, und Lina Wagner-Tauber, eine Vertreterin der Volkspartei, die die erste zionistische Frauenorganisation in Deutschland, die Jüdisch-nationale Frauenvereinigung, die sich ab 1928 "Frauenarbeitsgemeinschaft für Palästina" nannte, mitbegründet hatte. Zwei weitere Frauen wirkten in der Repräsentantenversammlung als stellvertretende Mitglieder: Ernestine Eschelbacher (1858 - 1931), die dem Vorstand des JFB angehörte und sich vor allem auf dem Gebiet der Sozialfürsorge engagierte, und Bianca Hamburger, die im Vorstand der Reformgemeinde war.

In die wenigen Frauen, die jetzt der Repräsentantenversammlung angehörten, wurden hohe Erwartungen gesetzt, was bereits in der Begrüßung des neuen Gemeindeparlaments durch den Vorstand der Jüdischen Gemeinde zum Ausdruck kam: "Die volle Gleichwertigkeit der männlichen und der weiblichen Arbeit hindere nicht, für die großen künftigen Verhandlungen davon einen großen Vorteil zu erwarten, dass die besonderen fraulichen Tugenden, Versöhnlichkeit, Anhänglichkeit und Familiensinn mehr als bisher zur Geltung kommen werden." Bertha Falkenberg teilte diese Anschauung: Frauen sollten durch ihre Mitarbeit vor allem Frieden und Versöhnung herbeiführen, eine schwierige Aufgabe in einer Repräsentantenversammlung, in der parteipolitische Debatten immer mehr in den Vordergrund rückten. Dieses Gremium diente wohl eher der politischen Profilierung einzelner als der Beschäftigung mit den Problemen der Gemeinde, wie sich Bertha Falkenberg am Ende ihrer ersten Wahlperiode beklagte. Sie lehnte es ab, sich an solchen "Redetournieren", die nur für die Zuschauerinnen und Zuschauer ausgetragen wurden, zu beteiligen. Wie sie feststellte, widerspiegelte sich darin nicht die Auffassung von Frauen über Gemeindearbeit, die sie als die richtige empfand. Sie verlangte, dass aus dem "Tummelplatz politischer Auseinandersetzungen" ein Ort wird, wo die Arbeit der Gemeinde wieder in den Mittelpunkt rückt. Und so verwundert es nicht, dass in den Berichten über die Repräsentantenversammlung nur wenige Wortmeldungen von ihr, meist zu Fragen der Wohlfahrt, verzeichnet sind.

Engagement in Gremien

Die Wohlfahrtspflege sah Bertha Falkenberg, neben Erziehung und Religion, als das ureigene Arbeitsgebiet der Frau an, könne sich doch niemand so gut in die Psyche eines anderen Menschen einfühlen, wie gerade die Frau. Dass sie sich diesem Arbeitsgebiet widmete, belegt auch ihre Mitarbeit in verschiedenen Gremien, so im Hauptausschuss des Wohlfahrtsamtes der Jüdischen Gemeinde; 1928 wurde sie in den Schulvorstand der Jüdischen Gemeinde gewählt, 1929 in das Kuratorium des Reichenheimschen Waisenhauses am Weinbergsweg, sie arbeitete im Büro der Zentralwohlfahrtsstelle ehrenamtlich mit und leitete die Abteilung Kindertagesstätten der Jüdischen Gemeinde.

Dass Bertha Falkenberg ein geachtetes Mitglied der Repräsentantenversammlung war, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie bei den vorgezogenen Gemeindewahlen im Jahre 1930 als eine Spitzenkandidatin der Liberalen wiedergewählt wurde. Der neuen Repräsentantenversammlung gehörten nun 41 Mitglieder an, unter ihnen nur drei Frauen: Bertha Falkenberg und Hedwig Witkowski für die Liberalen sowie Lina Wagner-Tauber für die Volkspartei.

Bildungsarbeit und soziales Engagement im Jüdischen Frauenbund

Bertha Falkenberg war 1924 zur Vorsitzenden der Berliner Ortsgruppe des Jüdischen Frauenbundes gewählt worden. "Diese aufrechte Haltung und diese gerade Gesinnung, gepaart mit einer grossen Organisationskraft, machten sie so geeignet zur Vorsitzenden des Verbandes Berlin des Jüdischen Frauenbundes. Wie sie die Ortsgruppe Berlin übernahm, war diese Berliner Gruppe noch eine kümmerliche Pflanze. Aber unter ihrer Leitung erwuchs sie zu einem großen, starken Stamm, der mit seinen Ästen die jüdische Frauenwelt Gross-Berlin's umspannte."

In den Jahren 1926/27, wenige Jahre nachdem durch Eingemeindungen Groß-Berlin entstanden war, wurde unter ihrer Leitung die Umgestaltung der Ortsgruppe in einen Stadtverband mit 15 Bezirksgruppen, dem außerdem noch mehr als 20 jüdische Frauenvereine angeschlossen waren, vollzogen. Die Bezirksgruppen hatten einen eigenen Vorstand, trafen sich regelmäßig und hatten selbständige Arbeitsgebiete. In ihrem Bericht über die Arbeit des Verbandes Berlin aus dem Jahre 1927 in den "Blättern des Jüdischen Frauenbundes" gab Bertha Falkenberg ihrer Freude Ausdruck, dass die Frauen der Arbeit des JFB reges Interesse entgegenbrachten. Nur wenige Monate nach der Umgestaltung konnte sie feststellen, dass die Mitgliederzahl des Verbandes in wenigen Monaten erheblich angewachsen war. Gehörten dem Verband 1925 ungefähr 500 Frauen an, so waren es 1927 schon einige Hundert mehr. Aufgrund des erhöhten Arbeitsaufwandes wurde die Geschäftsstelle aus der Wohnung der Vorsitzenden in der Lottumstraße 22 in das zentral gelegene zweite Verwaltungsgebäude der Jüdischen Gemeinde am Monbijouplatz verlegt.

In den Bezirksgruppen entwickelte sich ein lebendiges kulturelles Leben. Neben den regelmäßigen Zusammenkünften wurden Vorträge gehalten, Kurse organisiert, Arbeitsgemeinschaften gebildet, die Sozialarbeit organisiert. Auch in Prenzlauer Berg fanden sich Frauen zusammen und bildeten die Bezirksgruppe Norden, der im Jahre 1933 Frau Friedländer aus der Schönhauser Allee 31 vorstand. Regelmäßig wurden Sprechstunden in der Volksschule Rykestraße und im Wohlfahrtsamt Prenzlauer Berg der Jüdischen Gemeinde in der Schönhauser Allee 23/25 abgehalten. Immer wieder wurde zu interessanten Vorträgen eingeladen, die oft im Trausaal der Synagoge Rykestraße stattfanden. Heute wird dieser Raum für Gottesdienste genutzt, da der große Synagogenraum nur noch zu den Hohen Feiertagen benötigt wird. Als Referentinnen konnten kompetente Frauen, die in der Gemeindeverwaltung und in jüdischen Organisationen tätig waren, gewonnen werden. Immer wieder erging auch an Bertha Falkenberg die Bitte, in den Bezirksgruppen zu sprechen. "Eine Meisterin der Rede, wusste sie immer wieder ihre Hörerschaft zu fesseln", stellte Margarete Jacoby, eine enge Mitstreiterin im JFB, in ihrer Würdigung der Arbeit Bertha Falkenbergs fest. In den "Blättern des Jüdischen Frauenbundes" lassen sich häufig Ankündigungen für ihre Vorträge in den einzelnen Ortsgruppen zu verschiedenen Themen, vor allem auf dem Gebiet der Sozialarbeit, finden.

Um Frauen zu befähigen, selbst Vorträge zu halten und die Treffen der Bezirksgruppen zu leiten, wurden Rednerinnenkurse angeboten. In diesen Kursen wurde versucht, "über geistige Themen, kurz und straff zusammengefaßt, zu referieren und eine Debatte sachlich zu führen. Ebenso wurde gezeigt, wie Aussprachen über Weltanschauungsprobleme geleitet und auf neutralem Boden geführt werden müssen, wie jede Anschauung zu Wort kommen soll, wie aber dem Sinne und dem Wortlaute der Statuten des J.F.B. entsprechend, jede einseitige subjektive Schärfe oder persönliche Bezugnahme vermieden werden kann und muß."

Neben den Rednerinnenkursen wurden auch Schulungen über die Organisation und die Aufgaben der Jüdischen Gemeinde und die jüdische und allgemeine Wohlfahrtspflege organisiert, denen Bertha Falkenberg eine große Bedeutung beimaß. Sie war der Überzeugung, dass mit der Durchsetzung des Frauenwahlrechts die Frauen auch die Verpflichtung hatten, am Ausbau der Gemeinde mitzuarbeiten, nicht nur in der Repräsentantenversammlung und im Vorstand, sondern auf allen Gebieten der Gemeindeverwaltung. Frauen wurde deshalb die Möglichkeit geboten, sich für die Mitarbeit in der Gemeinde und ihren Gremien zu qualifizieren.

Soziale Einrichtungen des jüdischen Frauenbundes in Berlin

Eines der wichtigsten Arbeitsfelder des JFB war die Sozialarbeit. In welch großem Umfang der JFB sich auf diesem Gebiet für die jüdische Gemeinschaft engagierte, lässt sich nicht zuletzt an der Vielzahl sozialer Einrichtungen ablesen, die der Verband Berlin (bzw. einzelne Ortsgruppen) unterhielt und von denen viele in der Amtszeit von Bertha Falkenberg entstanden.

Hilfe für Bedürftige in Prenzlauer Berg

Über ihre sicher sehr arbeitsaufwendige Tätigkeit als Organisatorin der Sozialarbeit des JFB im Berliner Maßstab, als Repräsentantin der Jüdischen Gemeinde hinaus engagierte sich Bertha Falkenberg auch für die sozial Schwachen in Prenzlauer Berg, ihrer Wohngegend. In diesem dicht bevölkerten Stadtbezirk war die Zahl der Notleidenden, die vom Wohlfahrts- und Jugendamt der Jüdischen Gemeinde betreut wurden, sehr hoch. Bertha Falkenberg befürwortete die Idee der modernen Wohlfahrtspflege, die Familienpflege, die mit der Gründung des dezentral organisierten Wohlfahrts- und Jugendamts der Jüdischen Gemeinde im Jahre 1922 in die Praxis umgesetzt wurde: "Ein einziger Pfleger soll die bedürftige Familie betreuen, ein Pfleger, der in der Nähe wohnt, dem der Pflegling ohne Zeit- und Geldverlust seine Sorgen und Nöte anvertrauen kann, ein Pfleger, der immer zu freundlichem Zuspruch, zu Rat und Hilfe bereit ist, der, ob es sich um Arbeitslosigkeit, um Krankheit, um sittliche oder körperliche Verelendung handelt, immer die geeigneten Wege seinem Pfleglinge weist oder für ihn geht."

In Prenzlauer Berg mussten Mitte der zwanziger Jahre ungefähr 600 Familien, insgesamt 1 800 bis 2 000 Personen, vom jüdischen Wohlfahrtsamt ständig betreut werden. Dem standen nur 120 Frauen und Männer gegenüber, die als Pflegerinnen und Pfleger ehrenamtlich arbeiteten, außerdem waren die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel unzureichend. Bertha Falkenberg kritisierte, dass unter solchen Bedingungen eine ausreichende Fürsorge nicht möglich sei. Neben ihrer Arbeit als Familienfürsorgerin übte sie noch weitere ehrenamtliche Ämter beim Wohlfahrts- und Jugendamt der Jüdischen Gemeinde in Prenzlauer Berg aus: Sie leitete die Jugendkommission und war Vorsitzende des "Küchenkommandos". In der Küche des Wohlfahrtsamtes, die sich in der Schönhauser Allee 25 befand, wurden täglich ungefähr 60 Essen an Bedürftige ausgegeben.

Bertha Falkenbergs Eintreten für Frauenrechte im religiösen Leben

In ihrem Wirken für die jüdische Gemeinschaft auf sozialem Gebiet sah Bertha Falkenberg die Erfüllung einer religiösen Pflicht, in sozialem Gefühl und sozialem Tun die Grundlagen wahren Judentums. Anders als viele Jüdinnen und Juden ihrer Zeit, die längst schon dem Judentum entfremdet waren, verstand sich Bertha Falkenberg als eine religiöse Frau, für die jüdische Traditionen im alltäglichen Leben noch eine Bedeutung hatten. In einer Würdigung zu ihrem 60. Geburtstag wurde ihre "eingehende Kenntnis des jüdischen Lebens" hervorgehoben. "Mit einem unglaublichen Gedaechtnis begabt, schlug sie Jeden, der mit ihr um ein Wort im Buche der Propheten stritt", bemerkte Margarete Jacoby . Auch ihre Wortmeldungen in der Repräsentantenversammlung und verschiedene Beiträge in den "Blättern des Jüdischen Frauenbundes" und der "Liberal-jüdischen Zeitung" zu religiösen Themen bestätigen, dass sie, die auch eine ausgebildete Religionslehrerin war, über ein umfangreiches jüdisches Wissen verfügte.

Bertha Falkenberg fühlte sich der religiös-liberalen Bewegung verbunden, die sich im vorigen Jahrhundert herausgebildet hatte und sich bis zu den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts zu einer der wichtigsten religiösen Strömungen im Judentum in Deutschland entwickelte. Als eine Art Gegenbewegung zu den sogenannten Orthodoxen war eine ihrer zentralen Forderungen die nach einer Reform des als nicht mehr zeitgemäß empfundenen Gottesdienstes. Die 1908 gegründete, in ganz Deutschland wirkende "Vereinigung für das liberale Judentum" setzte sich für die Verbreitung religiös-liberaler Ideen ein. Bertha Falkenberg gehörte über mehrere Wahlperioden dem Vorstand dieser Organisation an, in dem nur sehr wenige Frauen vertreten waren.

Als Wirkungsfeld der Frauen sah Bertha Falkenberg vor allem das Haus und die Familie an, den Müttern obliegt die wichtige Aufgabe der Erziehung der Kinder, der Vermittlung jüdischen Wissens an die nächste Generation. Daher maß sie der jüdischen Bildung von Frauen eine große Bedeutung bei. So forderte sie auf einer Sitzung der Repräsentantenversammlung im Jahre 1928 die Einrichtung von Kursen für junge Mütter in allen Stadtgegenden, wo diese ihre jüdischen Kenntnisse erweitern und auffrischen konnten und schlug vor, Eltern neugeborener Kinder einen Gutschein und ein Glückwunschschreiben zu schicken, in dem sie aufgefordert werden sollten, in der Synagoge das Gebet für die Mutter und das neugeborene Kind sprechen zu lassen. Auch als Vorsitzende des Stadtverbandes Berlin des JFB initiierte sie immer wieder Kurse und Vorträge, wie zur religiösen Erziehung der Jugend, zum Festtagszyklus, zur Stellung der Frau im Judentum, zum jüdischen Ehe- und Scheidungsrecht.

Gleichstellung in der Synagoge

Die passive Rolle der Frauen in den Synagogen wurde immer mehr in Frage gestellt. Als während der Tagung des "Weltverbandes für das religiös-liberale Judentum", der "World Union of Progressive Judaism", 1928 in Berlin Lily Montagu (1874 - 1963), die diese Organisation 1926 mitbegründet hatte, in der Reformgemeinde sprach, predigte zum ersten Mal in Deutschland eine Frau in einer Synagoge. Sicherlich wird diese Predigt, die ein großes Echo in der jüdischen Presse fand, auch auf Bertha Falkenberg, die dem Berliner Ehrenausschuss der "Vereinigung für das liberale Judentum" zur Vorbereitung dieser Tagung angehörte und zu den von der Vereinigung entsandten Delegierten zählte, einen großen Eindruck gemacht haben, lud sie doch Lily Montagu zu einer Zusammenkunft des JFB ein, in der diese über ihr Leben sprach. Zwei Jahre später, im Jahre 1930, stellte Lily Montagu auf einer Kundgebung anlässlich der in Berlin stattfindenden Vorstandssitzung des "Weltverbandes für religiös-liberales Judentum" fest, dass es in Deutschland höchste Zeit wäre, dass die jüdischen Frauen, die auf dem Gebiet der Sozialarbeit so viel erreicht hatten, von den Galerien der Synagogen hinuntersteigen und in das Leben der Synagoge selber eingreifen sollten, was in England und Amerika schon längst selbstverständlich war.

Zu dieser Zeit, im Jahre 1930, beendete Regina Jonas (1902-1944) ihr Studium an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. Ihre religionsgesetzliche Prüfungsarbeit schrieb sie zu der Frage "Kann die Frau das rabbinische Amt bekleiden? Zu diesem Thema hielt sie auch 1931 einen Vortrag im JFB. Sie wurde 1935 als erste Rabbinerin ordiniert. 1944 wurde sie in Auschwitz umgebracht.

"Und dennoch" - die Jahre von 1933 bis 1938

1933, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, war Bertha Falkenberg krank und litt darunter, nichts unternehmen zu können. Ihre früher geäußerte Absicht, von ihrem Amt zurückzutreten, setzte sie nicht in die Tat um. Im Juli 1933 erschien ein Aufruf von ihr im "Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin", in dem sie sich an die jüdischen Frauen wandte und sie aufforderte, im Verband Berlin des Jüdischen Frauenbundes mitzuarbeiten:

Trotz erschwerter Arbeitsbedingungen - die Arbeit des JFB wurde von den Behörden genau kontrolliert - konnte die Sozialarbeit erweitert werden, neue Einrichtungen entstanden so zum Beispiel ein Clubheim für Frauen in der Marburger Straße 5 und ein Erholungsheim in Lehnitz, das auch als Ferien- und Dauerkinderheim sowie als Tagungsstätte des jüdischen Frauenbundes diente und bis Dezember 1938 bestand. Ein weiterer Schwerpunkt war die hauswirtschaftliche Aus- und Fortbildung.

Würdigung zum 60. Geburtstag

Als Bertha Falkenberg im April 1936 ihren 60. Geburtstag feierte, der von der Trauer um ihren kürzlich verstorbenen Ehemann, Hermann Falkenberg, überschattet war, wurde ihr unermüdliches Engagement auf sozialem Gebiet gewürdigt:

"Frau Falkenberg übt das Amt der Repräsentantin der Berliner jüdischen Frauenbewegung seit 11 Jahren aus, und sie tut es heute mit dem gleichen Elan und demselben Zielbewußtsein, das sie seit dem ersten Tage ihrer Amtsübernahme bekundet hat. Die jüdischen Frauen für die Arbeit in der Gemeinschaft einzuordnen, ihnen Weg und Ziel zu zeigen, kennzeichnet die Lebensarbeit Berta Falkenbergs. Zahlreiche Einrichtungen sind ihrer Initiative zu danken. Sie hat nie den Grundsatz vertreten, für die Organisation, die sie leitet, nur Forderungen aufzustellen, sie war immer bereit, die organisierte Frauenbewegung für die Gemeinschaft einzusetzen, der sie damit eine Fülle von Arbeitskraft, insbesondere für die sozialen Institutionen zuführte. Diesem großen Gebiet der sozialen Arbeit gilt auch die persönliche Arbeit Berta Falkenbergs, ihr warmherziges Eintreten für alle Notleidenden und Bedürftigen ist immer zu spüren, wenn man ihrer Tätigkeit in der jüdischen Öffentlichkeit nachgeht. In der Repräsentanten-Versammlung unserer Gemeinde nimmt Berta Falkenberg eine führende Stellung ein, ihr Wort findet Beachtung, weil es eingegeben ist von einer starken Empfindung für alle jüdischen Interessen und von einer eingehenden Kenntnis des jüdischen Lebens."

Nach dem Tod von Hermann Falkenberg gab Bertha Falkenberg die Wohnung in der Lottumstraße 22 auf und zog in die Trendelenburgstraße 16 in Charlottenburg, wo sie mit ihrer unverheirateten Schwester Johanna Ginsberg (1879 - 1943) zusammenlebte.

1936 fanden erneut Wahlen zur Repräsentantenversammlung statt. Dieses Mal entbrannte kein Wahlkampf: Auf einer Einheitsliste, auf der auch Bertha Falkenberg an 22. Stelle aufgeführt war, waren Kandidatinnen und Kandidaten aller Richtungen vertreten. Ende November 1936 wurden die auf dieser Liste verzeichneten ersten 41 Personen als Mitglieder der Repräsentantenversammlung bestätigt.

Im Oktober 1937 wurde Bertha Falkenberg auf der Mitgliederversammlung des JFB erneut einstimmig zur ersten Vorsitzenden des Berliner Stadtverbandes des JFB gewählt. Doch schon 1938 wurde der Stadtverband Berlin des JFB aufgelöst. Alle Einrichtungen des JFB wurden der Jüdischen Gemeinde übergeben. "

Überleben 1938 - 1946

1938, nach dem Novemberpogrom, stieg die Zahl der Auswandernden sprunghaft an. Auch Bertha Falkenbergs Tochter, die Ärztin Dr. Hanna Beermann, verließ im Mai 1939 mit ihrem Ehemann und ihrem acht Monate alten Kind Deutschland und emigrierte nach England. Ihr Sohn, Paul Falkenberg, hatte schon 1932 Deutschland verlassen und war 1938 in die USA eingewandert. Ihr 1883 geborener Bruder Siegfried Heinrich Ginsberg lebte ab 1940 in Palästina im Kibbuz Hasorea. 1941 mussten Bertha Falkenberg und ihre Schwester Johanna Ginsberg ihre Wohnung in der Trendelenburgstraße 16 aufgeben, fast alle ihre Möbel verkaufen und innerhalb von fünf Tagen in ein gemeinsames Zimmer zur Untermiete in Tiergarten, Blumeshof 15, ziehen, wo auch eine enge Vertraute und Freundin aus dem JFB, Hanna Guttmann (1868 - 1943) mit ihrer Tochter Martha inzwischen wohnte. Als im Oktober 1941 die Deportationen Berliner Jüdinnen und Juden begannen, leitete Bertha Falkenberg eine Verpflegungsgruppe, die die Deportierten auf dem Bahnhof mit Nahrung versorgte, eine schwierige Aufgabe angesichts der Nahrungsmittelknappheit und der Tausenden von Menschen, die verpflegt werden mussten.

Deportation nach Theresienstadt

Am 26. August 1942, ein Jahr nach ihrem Umzug in das Zimmer in Blumeshof 15, wurde Bertha Falkenberg zusammen mit ihrer Schwester Johanna Ginsberg, Hanna Guttmann und deren Tochter Martha mit dem 50. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Ihr Vermögen wurde eingezogen, der Haushalt aufgelöst. Die Einnahmen aus dem Verkauf der letzten noch vorhandenen Möbelstücke floß dem Oberfinanzpräsidium zu. Innerhalb weniger Monate verlor Bertha Falkenberg in Theresienstadt die drei Frauen, die ihr nahe standen:

Im Februar 1945 gelangte Bertha Falkenberg mit einem Transport von 1 200 Häftlingen aus Theresienstadt in die Schweiz. Diese einmalige Hilfsaktion kam aufgrund von Verhandlungen des Schweizer Politikers Jean-Marie Musy (1876 - 1952) mit Himmler zustande. Bertha Falkenberg kam in einem Flüchtlingsheim in Engelberg unter, von dort aus bemühte sie sich um eine Einreiseerlaubnis in die USA. Als sie im April 1946 ihren 70. Geburtstag feierte, wollte ihre Tochter sie besuchen, sie erhielt aber kein Visum für die Schweiz. Endlich waren alle Formalitäten erledigt, sie hatte das Einreisevisum für die USA und eine Fahrkarte nach London. Doch sie konnte die Reise zu ihren Kindern nicht mehr antreten. Am 20. Mai 1946 starb sie in Engelberg in der Schweiz.

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