Bertha Falkenberg:
Eine Spurensuche
Von Lara Daemmig
Im "Jüdischen Adressbuch für Gross-Berlin" von
1931 ist der Name Bertha Falkenbergs (1876 - 1946) in der Liste der
"Hervorragenden jüdischen Persönlichkeiten Berlins" zu finden. Mit
dieser Ehrung, die nur sehr wenigen Frauen erwiesen wurde, sollte ihr
verdienstvolles Wirken als Vorsitzende des Verbandes Berlin des
Jüdischen Frauenbundes, den sie von 1924 bis 1938 leitete, und als
Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin,
der sie ab 1927 angehörte, gewürdigt werden. Bertha Falkenberg
bereicherte das jüdische Gemeindeleben auf vielfältige Weise. Ihr
Engagement zum Wohle der jüdischen Gemeinschaft in Berlin in den
zwanziger und dreißiger Jahren soll in dem folgenden Artikel beleuchtet
werden.
Bertha Anna Ginsberg
wurde am 8. April 1876 in Berlin geboren. Die ausgebildete Lehrerin
gab, wie damals üblich, ihren Beruf nach ihrer Verlobung mit ihrem
Kollegen Hermann Falkenberg auf. 1902 heiratete sie, 1903 und 1905
wurden ihre beiden Kinder geboren.
Eine der ersten Frauen in der
Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin
Mit den Wahlen zur Repräsentantenversammlung am 16.
Mai 1926, acht Jahre nach der Einführung des allgemeinen
Frauenwahlrechts in Deutschland, wurde in der Berliner Jüdischen
Gemeinde Frauen das aktive und passive Wahlrecht gewährt und so gehörten
dem neugewählten Gemeindeparlament zum ersten Mal Frauen an, unter ihnen
auch Bertha Falkenberg, die Vorsitzende der Berliner Ortsgruppe des
Jüdischen Frauenbundes (JFB).
Im November 1924, hatte die Repräsentantenversammlung
der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit den Stimmen der Liberalen und der
Volkspartei beschlossen, das aktive und passive Frauenwahlrecht
einzuführen. Während es einerseits Bedenken gab, Frauen das passive
Wahlrecht zu gewähren, weil sie dadurch gegen ihren Willen politisiert
und aus der jüdischen Häuslichkeit herausgerissen werden würden,
betonten vor allem die Vertreter der Liberalen, das es nur eine
Forderung der Gerechtigkeit wäre, dass Frauen, die "zum Teil auch
steuerzahlende Mitglieder der Gemeinde sind, an den Rechten ebenso
beteiligt werden wie an den Pflichten". Die für den Herbst 1925
geplanten Wahlen wurden um ein halbes Jahr verschoben, da neue
Wahllisten, die auch die weiblichen wahlberechtigten Gemeindemitglieder
enthielten, erstellt werden mussten. Da es nach der Stimmabgabe im Mai
1926 Proteste gegen das Wahlergebnis gab, die einer Prüfung bedurften,
konnte die neugewählte Repräsentantenversammlung erst 14 Monate nach der
Wahl zum ersten Mal zusammentreten. Zwei Repräsentantinnen waren in das
aus 21 Mitgliedern bestehende Gemeindeparlament eingezogen: Bertha
Falkenberg, die der Liberalen Partei angehörte, und Lina Wagner-Tauber,
eine Vertreterin der Volkspartei, die die erste zionistische
Frauenorganisation in Deutschland, die Jüdisch-nationale
Frauenvereinigung, die sich ab 1928 "Frauenarbeitsgemeinschaft für
Palästina" nannte, mitbegründet hatte. Zwei weitere Frauen wirkten in
der Repräsentantenversammlung als stellvertretende Mitglieder: Ernestine
Eschelbacher (1858 - 1931), die dem Vorstand des JFB angehörte und sich
vor allem auf dem Gebiet der Sozialfürsorge engagierte, und Bianca
Hamburger, die im Vorstand der Reformgemeinde war.
In die wenigen Frauen, die jetzt der
Repräsentantenversammlung angehörten, wurden hohe Erwartungen gesetzt,
was bereits in der Begrüßung des neuen Gemeindeparlaments durch den
Vorstand der Jüdischen Gemeinde zum Ausdruck kam: "Die volle
Gleichwertigkeit der männlichen und der weiblichen Arbeit hindere nicht,
für die großen künftigen Verhandlungen davon einen großen Vorteil zu
erwarten, dass die besonderen fraulichen Tugenden, Versöhnlichkeit,
Anhänglichkeit und Familiensinn mehr als bisher zur Geltung kommen
werden." Bertha Falkenberg teilte diese Anschauung: Frauen sollten durch
ihre Mitarbeit vor allem Frieden und Versöhnung herbeiführen, eine
schwierige Aufgabe in einer Repräsentantenversammlung, in der
parteipolitische Debatten immer mehr in den Vordergrund rückten. Dieses
Gremium diente wohl eher der politischen Profilierung einzelner als der
Beschäftigung mit den Problemen der Gemeinde, wie sich Bertha Falkenberg
am Ende ihrer ersten Wahlperiode beklagte. Sie lehnte es ab, sich an
solchen "Redetournieren", die nur für die Zuschauerinnen und Zuschauer
ausgetragen wurden, zu beteiligen. Wie sie feststellte, widerspiegelte
sich darin nicht die Auffassung von Frauen über Gemeindearbeit, die sie
als die richtige empfand. Sie verlangte, dass aus dem "Tummelplatz
politischer Auseinandersetzungen" ein Ort wird, wo die Arbeit der
Gemeinde wieder in den Mittelpunkt rückt. Und so verwundert es nicht,
dass in den Berichten über die Repräsentantenversammlung nur wenige
Wortmeldungen von ihr, meist zu Fragen der Wohlfahrt, verzeichnet sind.
Engagement in Gremien
Die Wohlfahrtspflege sah Bertha Falkenberg, neben
Erziehung und Religion, als das ureigene Arbeitsgebiet der Frau an,
könne sich doch niemand so gut in die Psyche eines anderen Menschen
einfühlen, wie gerade die Frau. Dass sie sich diesem Arbeitsgebiet
widmete, belegt auch ihre Mitarbeit in verschiedenen Gremien, so im
Hauptausschuss des Wohlfahrtsamtes der Jüdischen Gemeinde; 1928 wurde
sie in den Schulvorstand der Jüdischen Gemeinde gewählt, 1929 in das
Kuratorium des Reichenheimschen Waisenhauses am Weinbergsweg, sie
arbeitete im Büro der Zentralwohlfahrtsstelle ehrenamtlich mit und
leitete die Abteilung Kindertagesstätten der Jüdischen Gemeinde.
Dass Bertha Falkenberg ein geachtetes Mitglied der
Repräsentantenversammlung war, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie
bei den vorgezogenen Gemeindewahlen im Jahre 1930 als eine
Spitzenkandidatin der Liberalen wiedergewählt wurde. Der neuen
Repräsentantenversammlung gehörten nun 41 Mitglieder an, unter ihnen nur
drei Frauen: Bertha Falkenberg und Hedwig Witkowski für die Liberalen
sowie Lina Wagner-Tauber für die Volkspartei.
Bildungsarbeit und soziales Engagement im
Jüdischen Frauenbund
Bertha Falkenberg war 1924 zur Vorsitzenden der
Berliner Ortsgruppe des Jüdischen Frauenbundes gewählt worden. "Diese
aufrechte Haltung und diese gerade Gesinnung, gepaart mit einer grossen
Organisationskraft, machten sie so geeignet zur Vorsitzenden des
Verbandes Berlin des Jüdischen Frauenbundes. Wie sie die Ortsgruppe
Berlin übernahm, war diese Berliner Gruppe noch eine kümmerliche
Pflanze. Aber unter ihrer Leitung erwuchs sie zu einem großen, starken
Stamm, der mit seinen Ästen die jüdische Frauenwelt Gross-Berlin's
umspannte."
In den Jahren 1926/27, wenige Jahre nachdem durch
Eingemeindungen Groß-Berlin entstanden war, wurde unter ihrer Leitung
die Umgestaltung der Ortsgruppe in einen Stadtverband mit 15
Bezirksgruppen, dem außerdem noch mehr als 20 jüdische Frauenvereine
angeschlossen waren, vollzogen. Die Bezirksgruppen hatten einen eigenen
Vorstand, trafen sich regelmäßig und hatten selbständige Arbeitsgebiete.
In ihrem Bericht über die Arbeit des Verbandes Berlin aus dem Jahre 1927
in den "Blättern des Jüdischen Frauenbundes" gab Bertha Falkenberg ihrer
Freude Ausdruck, dass die Frauen der Arbeit des JFB reges Interesse
entgegenbrachten. Nur wenige Monate nach der Umgestaltung konnte sie
feststellen, dass die Mitgliederzahl des Verbandes in wenigen Monaten
erheblich angewachsen war. Gehörten dem Verband 1925 ungefähr 500 Frauen
an, so waren es 1927 schon einige Hundert mehr. Aufgrund des erhöhten
Arbeitsaufwandes wurde die Geschäftsstelle aus der Wohnung der
Vorsitzenden in der Lottumstraße 22 in das zentral gelegene zweite
Verwaltungsgebäude der Jüdischen Gemeinde am Monbijouplatz verlegt.
In den Bezirksgruppen entwickelte sich ein lebendiges
kulturelles Leben. Neben den regelmäßigen Zusammenkünften wurden
Vorträge gehalten, Kurse organisiert, Arbeitsgemeinschaften gebildet,
die Sozialarbeit organisiert. Auch in Prenzlauer Berg fanden sich Frauen
zusammen und bildeten die Bezirksgruppe Norden, der im Jahre 1933 Frau
Friedländer aus der Schönhauser Allee 31 vorstand. Regelmäßig wurden
Sprechstunden in der Volksschule Rykestraße und im Wohlfahrtsamt
Prenzlauer Berg der Jüdischen Gemeinde in der Schönhauser Allee 23/25
abgehalten. Immer wieder wurde zu interessanten Vorträgen eingeladen,
die oft im Trausaal der
Synagoge Rykestraße stattfanden. Heute wird dieser Raum für
Gottesdienste genutzt, da der große Synagogenraum nur noch zu den Hohen
Feiertagen benötigt wird. Als Referentinnen konnten kompetente Frauen,
die in der Gemeindeverwaltung und in jüdischen Organisationen tätig
waren, gewonnen werden. Immer wieder erging auch an Bertha Falkenberg
die Bitte, in den Bezirksgruppen zu sprechen. "Eine Meisterin der Rede,
wusste sie immer wieder ihre Hörerschaft zu fesseln", stellte Margarete
Jacoby, eine enge Mitstreiterin im JFB, in ihrer Würdigung der Arbeit
Bertha Falkenbergs fest. In den "Blättern des Jüdischen Frauenbundes"
lassen sich häufig Ankündigungen für ihre Vorträge in den einzelnen
Ortsgruppen zu verschiedenen Themen, vor allem auf dem Gebiet der
Sozialarbeit, finden.
Um Frauen zu befähigen, selbst Vorträge zu halten und
die Treffen der Bezirksgruppen zu leiten, wurden Rednerinnenkurse
angeboten. In diesen Kursen wurde versucht, "über geistige Themen, kurz
und straff zusammengefaßt, zu referieren und eine Debatte sachlich zu
führen. Ebenso wurde gezeigt, wie Aussprachen über
Weltanschauungsprobleme geleitet und auf neutralem Boden geführt werden
müssen, wie jede Anschauung zu Wort kommen soll, wie aber dem Sinne und
dem Wortlaute der Statuten des J.F.B. entsprechend, jede einseitige
subjektive Schärfe oder persönliche Bezugnahme vermieden werden kann und
muß."
Neben den Rednerinnenkursen wurden auch Schulungen
über die Organisation und die Aufgaben der Jüdischen Gemeinde und die
jüdische und allgemeine Wohlfahrtspflege organisiert, denen Bertha
Falkenberg eine große Bedeutung beimaß. Sie war der Überzeugung, dass
mit der Durchsetzung des Frauenwahlrechts die Frauen auch die
Verpflichtung hatten, am Ausbau der Gemeinde mitzuarbeiten, nicht nur in
der Repräsentantenversammlung und im Vorstand, sondern auf allen
Gebieten der Gemeindeverwaltung. Frauen wurde deshalb die Möglichkeit
geboten, sich für die Mitarbeit in der Gemeinde und ihren Gremien zu
qualifizieren.
Soziale Einrichtungen des jüdischen
Frauenbundes in Berlin
Eines der wichtigsten Arbeitsfelder des JFB war die
Sozialarbeit. In welch großem Umfang der
JFB
sich auf diesem Gebiet für die jüdische Gemeinschaft engagierte, lässt
sich nicht zuletzt an der Vielzahl sozialer Einrichtungen ablesen, die
der Verband Berlin (bzw. einzelne Ortsgruppen) unterhielt und von denen
viele in der Amtszeit von Bertha Falkenberg entstanden.
Hilfe für Bedürftige in Prenzlauer Berg
Über ihre sicher sehr arbeitsaufwendige Tätigkeit als
Organisatorin der Sozialarbeit des JFB im Berliner Maßstab, als
Repräsentantin der Jüdischen Gemeinde hinaus engagierte sich Bertha
Falkenberg auch für die sozial Schwachen in Prenzlauer Berg, ihrer
Wohngegend. In diesem dicht bevölkerten Stadtbezirk war die Zahl der
Notleidenden, die vom Wohlfahrts- und Jugendamt der Jüdischen Gemeinde
betreut wurden, sehr hoch. Bertha Falkenberg befürwortete die Idee der
modernen Wohlfahrtspflege, die Familienpflege, die mit der Gründung des
dezentral organisierten Wohlfahrts- und Jugendamts der Jüdischen
Gemeinde im Jahre 1922 in die Praxis umgesetzt wurde: "Ein einziger
Pfleger soll die bedürftige Familie betreuen, ein Pfleger, der in der
Nähe wohnt, dem der Pflegling ohne Zeit- und Geldverlust seine Sorgen
und Nöte anvertrauen kann, ein Pfleger, der immer zu freundlichem
Zuspruch, zu Rat und Hilfe bereit ist, der, ob es sich um
Arbeitslosigkeit, um Krankheit, um sittliche oder körperliche
Verelendung handelt, immer die geeigneten Wege seinem Pfleglinge weist
oder für ihn geht."
In Prenzlauer Berg mussten Mitte der zwanziger Jahre
ungefähr 600 Familien, insgesamt 1 800 bis 2 000 Personen, vom jüdischen
Wohlfahrtsamt ständig betreut werden. Dem standen nur 120 Frauen und
Männer gegenüber, die als Pflegerinnen und Pfleger ehrenamtlich
arbeiteten, außerdem waren die zur Verfügung stehenden finanziellen
Mittel unzureichend. Bertha Falkenberg kritisierte, dass unter solchen
Bedingungen eine ausreichende Fürsorge nicht möglich sei. Neben ihrer
Arbeit als Familienfürsorgerin übte sie noch weitere ehrenamtliche Ämter
beim Wohlfahrts- und Jugendamt der Jüdischen Gemeinde in Prenzlauer Berg
aus: Sie leitete die Jugendkommission und war Vorsitzende des
"Küchenkommandos". In der Küche des Wohlfahrtsamtes, die sich in der
Schönhauser Allee 25 befand, wurden täglich ungefähr 60 Essen an
Bedürftige ausgegeben.
Bertha Falkenbergs Eintreten für Frauenrechte
im religiösen Leben
In ihrem Wirken für die jüdische Gemeinschaft auf
sozialem Gebiet sah Bertha Falkenberg die Erfüllung einer religiösen
Pflicht, in sozialem Gefühl und sozialem Tun die Grundlagen wahren
Judentums. Anders als viele Jüdinnen und Juden ihrer Zeit, die längst
schon dem Judentum entfremdet waren, verstand sich Bertha Falkenberg als
eine religiöse Frau, für die jüdische Traditionen im alltäglichen Leben
noch eine Bedeutung hatten. In einer Würdigung zu ihrem 60. Geburtstag
wurde ihre "eingehende Kenntnis des jüdischen Lebens" hervorgehoben.
"Mit einem unglaublichen Gedaechtnis begabt, schlug sie Jeden, der mit
ihr um ein Wort im Buche der Propheten stritt", bemerkte Margarete
Jacoby . Auch ihre Wortmeldungen in der Repräsentantenversammlung und
verschiedene Beiträge in den "Blättern des Jüdischen Frauenbundes" und
der "Liberal-jüdischen Zeitung" zu religiösen Themen bestätigen, dass
sie, die auch eine ausgebildete Religionslehrerin war, über ein
umfangreiches jüdisches Wissen verfügte.
Bertha Falkenberg fühlte sich der religiös-liberalen
Bewegung verbunden, die sich im vorigen Jahrhundert herausgebildet hatte
und sich bis zu den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts zu einer der
wichtigsten religiösen Strömungen im Judentum in Deutschland
entwickelte. Als eine Art Gegenbewegung zu den sogenannten Orthodoxen
war eine ihrer zentralen Forderungen die nach einer Reform des als nicht
mehr zeitgemäß empfundenen Gottesdienstes. Die 1908 gegründete, in ganz
Deutschland wirkende "Vereinigung für das liberale Judentum" setzte sich
für die Verbreitung religiös-liberaler Ideen ein. Bertha Falkenberg
gehörte über mehrere Wahlperioden dem Vorstand dieser Organisation an,
in dem nur sehr wenige Frauen vertreten waren.
Als Wirkungsfeld der Frauen sah Bertha Falkenberg vor
allem das Haus und die Familie an, den Müttern obliegt die wichtige
Aufgabe der Erziehung der Kinder, der Vermittlung jüdischen Wissens an
die nächste Generation. Daher maß sie der jüdischen Bildung von Frauen
eine große Bedeutung bei. So forderte sie auf einer Sitzung der
Repräsentantenversammlung im Jahre 1928 die Einrichtung von Kursen für
junge Mütter in allen Stadtgegenden, wo diese ihre jüdischen Kenntnisse
erweitern und auffrischen konnten und schlug vor, Eltern neugeborener
Kinder einen Gutschein und ein Glückwunschschreiben zu schicken, in dem
sie aufgefordert werden sollten, in der Synagoge das Gebet für die
Mutter und das neugeborene Kind sprechen zu lassen. Auch als Vorsitzende
des Stadtverbandes Berlin des JFB initiierte sie immer wieder Kurse und
Vorträge, wie zur religiösen Erziehung der Jugend, zum
Festtagszyklus, zur Stellung der Frau im Judentum, zum jüdischen
Ehe- und Scheidungsrecht.
Gleichstellung in der Synagoge
Die passive Rolle der Frauen in den Synagogen wurde
immer mehr in Frage gestellt. Als während der Tagung des "Weltverbandes
für das religiös-liberale Judentum", der "World Union of Progressive
Judaism", 1928 in Berlin Lily Montagu (1874 - 1963), die diese
Organisation 1926 mitbegründet hatte, in der Reformgemeinde sprach,
predigte zum ersten Mal in Deutschland eine Frau in einer Synagoge.
Sicherlich wird diese Predigt, die ein großes Echo in der jüdischen
Presse fand, auch auf Bertha Falkenberg, die dem Berliner Ehrenausschuss
der "Vereinigung für das liberale Judentum" zur Vorbereitung dieser
Tagung angehörte und zu den von der Vereinigung entsandten Delegierten
zählte, einen großen Eindruck gemacht haben, lud sie doch Lily Montagu
zu einer Zusammenkunft des JFB ein, in der diese über ihr Leben sprach.
Zwei Jahre später, im Jahre 1930, stellte Lily Montagu auf einer
Kundgebung anlässlich der in Berlin stattfindenden Vorstandssitzung des
"Weltverbandes für religiös-liberales Judentum" fest, dass es in
Deutschland höchste Zeit wäre, dass die jüdischen Frauen, die auf dem
Gebiet der Sozialarbeit so viel erreicht hatten, von den Galerien der
Synagogen hinuntersteigen und in das Leben der Synagoge selber
eingreifen sollten, was in England und Amerika schon längst
selbstverständlich war.
Zu dieser Zeit, im Jahre 1930, beendete
Regina Jonas (1902-1944) ihr Studium an der Hochschule für die
Wissenschaft des Judentums in Berlin. Ihre religionsgesetzliche
Prüfungsarbeit schrieb sie zu der Frage "Kann die Frau das rabbinische
Amt bekleiden? Zu diesem Thema hielt sie auch 1931 einen Vortrag im JFB.
Sie wurde 1935 als erste Rabbinerin ordiniert. 1944 wurde sie in
Auschwitz umgebracht.
"Und dennoch" - die Jahre von 1933 bis 1938
1933, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen,
war Bertha Falkenberg krank und litt darunter, nichts unternehmen zu
können. Ihre früher geäußerte Absicht, von ihrem Amt zurückzutreten,
setzte sie nicht in die Tat um. Im Juli 1933 erschien ein Aufruf von ihr
im "Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin", in dem sie sich an
die jüdischen Frauen wandte und sie aufforderte, im Verband Berlin des
Jüdischen Frauenbundes mitzuarbeiten:
Trotz erschwerter Arbeitsbedingungen - die Arbeit des
JFB wurde von den Behörden genau kontrolliert - konnte die Sozialarbeit
erweitert werden, neue Einrichtungen entstanden so zum Beispiel ein
Clubheim für Frauen in der Marburger Straße 5 und ein Erholungsheim in
Lehnitz, das auch als Ferien- und Dauerkinderheim sowie als
Tagungsstätte des jüdischen Frauenbundes diente und bis Dezember 1938
bestand. Ein weiterer Schwerpunkt war die hauswirtschaftliche Aus- und
Fortbildung.
Würdigung zum 60. Geburtstag
Als Bertha Falkenberg im April 1936 ihren 60.
Geburtstag feierte, der von der Trauer um ihren kürzlich verstorbenen
Ehemann, Hermann Falkenberg, überschattet war, wurde ihr unermüdliches
Engagement auf sozialem Gebiet gewürdigt:
"Frau Falkenberg übt das Amt der Repräsentantin
der Berliner jüdischen Frauenbewegung seit 11 Jahren aus, und sie
tut es heute mit dem gleichen Elan und demselben Zielbewußtsein, das
sie seit dem ersten Tage ihrer Amtsübernahme bekundet hat. Die
jüdischen Frauen für die Arbeit in der Gemeinschaft einzuordnen,
ihnen Weg und Ziel zu zeigen, kennzeichnet die Lebensarbeit Berta
Falkenbergs. Zahlreiche Einrichtungen sind ihrer Initiative zu
danken. Sie hat nie den Grundsatz vertreten, für die Organisation,
die sie leitet, nur Forderungen aufzustellen, sie war immer bereit,
die organisierte Frauenbewegung für die Gemeinschaft einzusetzen,
der sie damit eine Fülle von Arbeitskraft, insbesondere für die
sozialen Institutionen zuführte. Diesem großen Gebiet der sozialen
Arbeit gilt auch die persönliche Arbeit Berta Falkenbergs, ihr
warmherziges Eintreten für alle Notleidenden und Bedürftigen ist
immer zu spüren, wenn man ihrer Tätigkeit in der jüdischen
Öffentlichkeit nachgeht. In der Repräsentanten-Versammlung unserer
Gemeinde nimmt Berta Falkenberg eine führende Stellung ein, ihr Wort
findet Beachtung, weil es eingegeben ist von einer starken
Empfindung für alle jüdischen Interessen und von einer eingehenden
Kenntnis des jüdischen Lebens."
Nach dem Tod von Hermann Falkenberg gab Bertha
Falkenberg die Wohnung in der Lottumstraße 22 auf und zog in die
Trendelenburgstraße 16 in Charlottenburg, wo sie mit ihrer
unverheirateten Schwester Johanna Ginsberg (1879 - 1943) zusammenlebte.
1936 fanden erneut Wahlen zur
Repräsentantenversammlung statt. Dieses Mal entbrannte kein Wahlkampf:
Auf einer Einheitsliste, auf der auch Bertha Falkenberg an 22. Stelle
aufgeführt war, waren Kandidatinnen und Kandidaten aller Richtungen
vertreten. Ende November 1936 wurden die auf dieser Liste verzeichneten
ersten 41 Personen als Mitglieder der Repräsentantenversammlung
bestätigt.
Im Oktober 1937 wurde Bertha Falkenberg auf der
Mitgliederversammlung des JFB erneut einstimmig zur ersten Vorsitzenden
des Berliner Stadtverbandes des JFB gewählt. Doch schon 1938 wurde der
Stadtverband Berlin des JFB aufgelöst. Alle Einrichtungen des JFB wurden
der Jüdischen Gemeinde übergeben. "
Überleben 1938 - 1946
1938, nach dem Novemberpogrom, stieg die Zahl der
Auswandernden sprunghaft an. Auch Bertha Falkenbergs Tochter, die Ärztin
Dr. Hanna Beermann, verließ im Mai 1939 mit ihrem Ehemann und ihrem acht
Monate alten Kind Deutschland und emigrierte nach England. Ihr Sohn,
Paul Falkenberg, hatte schon 1932 Deutschland verlassen und war 1938 in
die USA eingewandert. Ihr 1883 geborener Bruder Siegfried Heinrich
Ginsberg lebte ab 1940 in Palästina im Kibbuz Hasorea. 1941 mussten
Bertha Falkenberg und ihre Schwester Johanna Ginsberg ihre Wohnung in
der Trendelenburgstraße 16 aufgeben, fast alle ihre Möbel verkaufen und
innerhalb von fünf Tagen in ein gemeinsames Zimmer zur Untermiete in
Tiergarten, Blumeshof 15, ziehen, wo auch eine enge Vertraute und
Freundin aus dem JFB, Hanna Guttmann (1868 - 1943) mit ihrer Tochter
Martha inzwischen wohnte. Als im Oktober 1941 die Deportationen Berliner
Jüdinnen und Juden begannen, leitete Bertha Falkenberg eine
Verpflegungsgruppe, die die
Deportierten auf dem Bahnhof mit Nahrung versorgte, eine schwierige
Aufgabe angesichts der Nahrungsmittelknappheit und der Tausenden von
Menschen, die verpflegt werden mussten.
Deportation nach Theresienstadt
Am 26. August 1942, ein Jahr nach ihrem Umzug in das
Zimmer in Blumeshof 15, wurde Bertha Falkenberg zusammen mit ihrer
Schwester Johanna Ginsberg, Hanna Guttmann und deren Tochter Martha mit
dem 50. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Ihr Vermögen
wurde eingezogen, der Haushalt aufgelöst. Die Einnahmen aus dem Verkauf
der letzten noch vorhandenen Möbelstücke floß dem Oberfinanzpräsidium
zu. Innerhalb weniger Monate verlor Bertha Falkenberg in Theresienstadt
die drei Frauen, die ihr nahe standen:
Im Februar 1945 gelangte Bertha Falkenberg mit einem
Transport von 1 200 Häftlingen aus Theresienstadt in die Schweiz. Diese
einmalige Hilfsaktion kam aufgrund von Verhandlungen des Schweizer
Politikers Jean-Marie Musy (1876 - 1952) mit Himmler zustande. Bertha
Falkenberg kam in einem Flüchtlingsheim in Engelberg unter, von dort aus
bemühte sie sich um eine Einreiseerlaubnis in die USA. Als sie im April
1946 ihren 70. Geburtstag feierte, wollte ihre Tochter sie besuchen, sie
erhielt aber kein Visum für die Schweiz. Endlich waren alle Formalitäten
erledigt, sie hatte das Einreisevisum für die USA und eine Fahrkarte
nach London. Doch sie konnte die Reise zu ihren Kindern nicht mehr
antreten. Am 20. Mai 1946 starb sie in Engelberg in der Schweiz.
"Von Salon keine Spur":
Der Jüdische Frauenbund nach 1945
Jüdischer
Frauenbund
Bet Debora - Konferenz
europäischer Rabbinerinnen
Juden in Berlin
hagalil.com 16-10-02
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und Gottesdienste
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