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"Ein Gebot der Klugheit":
80 Jahre Frauenwahlrecht in der Berliner Gemeinde

Vor genau achtzig Jahren, im November 1924, fasste die Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin einen wegweisenden Beschluss: zukünftig sollten Frauen innerhalb der Gemeinde das aktive und passive Wahlrecht ausüben können...

Von Lara Dämmig

Der Abstimmung war eine heftige, kontrovers geführte Debatte vorangegangen. Einerseits gab es von konservativer Seite aus Bedenken, Frauen dieses Recht zu gewähren, weil sie dadurch gegen ihren Willen politisiert und aus der jüdischen Häuslichkeit herausgerissen würden. Die Vertreter der Liberalen betonten dagegen, "in den letzten Jahren so viele wertvolle Frauenarbeit am Werke" gesehen zu haben, dass "es nicht nur eine Pflicht der Dankbarkeit ist, den Frauen den Raum zu gewähren, nach dem sie streben, sondern auch ein Gebot der Klugheit."

Aufgrund dieser Entscheidung wurden die für den Herbst 1925 geplanten Wahlen zur Repräsentantenversammlung um ein halbes Jahr verschoben, da neue Wahllisten, die auch die Namen der stimmberechtigten weiblichen Gemeindemitglieder enthielten, erstellt werden mussten. Im Mai 1926 war es dann soweit: erstmals konnten jüdische Frauen in Berlin über die Zusammensetzung des Gemeindeparlaments abstimmen und selbst gewählt werden. Zwei Frauen zogen in die neugewählte Repräsentantenversammlung ein: Lina Wagner-Tauber (1874-1936), Mitbegründerin der ersten zionistischen Frauenorganisation in Deutschland, der Jüdisch-nationalen Frauenvereinigung, und Bertha Falkenberg (1876-1946), Vorsitzende der Berliner Ortsgruppe des Jüdischen Frauenbundes.

Der Jüdische Frauenbund (JFB) war seit seiner Gründung im Jahre 1904 durch Bertha Pappenheim für die gleichberechtigte Mitwirkung von Frauen in den jüdischen Gemeinden eingetreten. In ihrem Kampf für das Frauenwahlrecht konnten sich Pappenheim und ihre Mitstreiterinnen auf ein Gutachten des konservativen Rabbiners Dr. Nehemia Nobel (1871-1922) aus dem Jahre 1919 stützen. Nobel stellte fest, dass gegen das aktive und passive Frauenwahlrecht keine religionsgesetzlichen Bedenken geltend gemacht werden könnten. Bestärkt durch Nobels Gutachten und durch die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Frauen in Deutschland im November 1918, intensivierte der Frauenbund seine Aktivitäten für das Frauenstimmrecht in den Gemeinden. In Berlin bereitete die Ortsgruppe des JFB umgehend eine Eingabe an den Gemeindevorstand aus, um "unseren Willen und unser Recht auf Sitz und Stimme in der Gemeinde geltend zu machen". Zunächst wurden den Frauen das Stimmrecht in den Kommissionen eingeräumt, für Ihre "Bestrebungen nach dem aktiven und passiven Wahlrecht" wurde "das größte Wohlwollen ausgedrückt". Prominente Persönlichkeiten, wie Rabbiner Leo Baeck, Dr. Ismar Freund und Bertha Pappenheim, unterstützten auf agitatorischen Versammlungen im Rahmen einer Stimmrechtswoche des JFB im März 1924 dieses Anliegen.

Das Engagement des Frauenbundes fruchtete. Eine Umfrage im Jahre 1927 ergab, dass inzwischen in mindestens 19 Gemeinden Frauen wahlberechtigt waren, 1929 waren es bereits 23 Gemeinden, darunter die sechs größten Gemeinden in Deutschland. Das Ergebnis konnte jedoch noch nicht zufrieden stellen, da "die Frauen in der kurzen Zeit ihrer Mitarbeit noch keine bemerkenswerten Leistungen vollbracht haben können, besonders, da sich ihre Wirksamkeit in dem von Männern geschaffenen, festgefügten Rahmen bewegt."

Diese Erfahrung teilten auch die beiden neugewählten Berliner Repräsentantinnen. Als sie antraten, erwartete der Gemeindevorstand, dass durch sie "die besonderen fraulichen Tugenden, Versöhnlichkeit, Anhänglichkeit und Familiensinn mehr als bisher zur Geltung kommen werden." Diese "Tugenden" erwiesen sich allerdings als wenig nützlich für die Mitarbeit in diesem Gremium. Am Ende ihrer ersten Wahlperiode beklagte sich Bertha Falkenberg, dass nicht die sachliche Erörterung der Probleme der Gemeinde im Mittelpunkt der Debatten stehe, sondern dass "Reden und wieder Reden ... zum Fenster hinaus und für die Tribüne an der Tagesordnung waren". Unter diesen Bedingungen hatten es die Repräsentantinnen tatsächlich schwer, sich zu profilieren. Dennoch leisteten die Frauen, die vor der Schoa in Gemeindeämter gewählt wurden, vor allem auf dem Gebiet der Wohlfahrt und der Bildung, Beachtliches.

Auch nach 1945 engagierten sich wieder Frauen in der Berliner Gemeindevertretung. Sah die erste Wahlordnung noch lediglich das aktive Wahlrecht für Frauen vor, so wurde bereits 1947 beschlossen, dass auch Frauen in die Repräsentanz gewählt werden können. Im selben Jahr begann Jeanette Wolff (1888-1976) ihre Tätigkeit als Repräsentantin. Bald wurde sie Vorsitzende der Repräsentantenversammlung. Seitdem haben eine Vielzahl von Frauen in diesem Gremium wie auch im Ostberliner Gemeindevorstand mitgearbeitet. Bei den Wahlen zur letzten Repräsentantenversammlung gelang es jedoch nur drei Frauen, gewählt zu werden. Im Gemeindevorstand ist keine von ihnen vertreten.

Erstveröffentlichung in: "Jüdisches Berlin", Nov. 2004

Jüdische Frauen in Berlin

al / hagalil.com / 2004-11-08

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