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Berliner Synagogen im Wandel

Von Lara Daemmig

Im Judentum gibt es keine "heiligen Orte". Man kann eine Synagoge in seinem Wohnzimmer gründen, denn eine Synagoge ist keine Kirche, sondern ein "Ort der Versammlung" – ein "Bet Haknesset". Dass die Berliner Synagogen mitunter imposante Gotteshäuser sind, spiegelt die einstige Größe des deutschen Judentums wieder. Sie heute zu besuchen, bedeutet jedoch Zeugin eines Zeitbruchs und Zeitwandels zugleich zu sein.

Als ich das erste Mal Mitte der 70er Jahre mit der Kindergruppe der kleinen Ostberliner Gemeinde die Synagoge Rykestraße besuchte, war ich erstaunt, dass sie sich in einem Hinterhof befindet. Nur deswegen war sie in der Pogromnacht 1938 nicht angezündet worden. Das Feuer hätte die dicht angrenzenden Wohnhäuser in Mitleidenschaft gezogen. Den prächtigen Synagogensaal mit seiner Galerie für die Frauen und seiner kunstvoll ausgestatteten Bima bekamen wir Mädchen und Jungen jedoch nicht zu sehen. An verschlossenen Türflügeln vorbei gingen wir in einen kleinen Betsaal – die einstige Wochentagssynagoge. Schon damals leitete Kantor Oljean Ingster den Gottesdienst. Er hatte Auschwitz überlebt und seit 1966 durch all die Jahrzehnte der DDR hindurch dafür gesorgt, dass hier am Schabbat Gottesdienste stattfanden. Nur wenige Menschen waren gekommen – ein Häuflein Ostberliner Juden, die den großen, für 2.000 Menschen gebauten Synagogensaal nicht mehr zu füllen vermochten.

Die Gemeinde bestand aus Überlebenden der Schoa, Emigranten, Menschen, die als bewusste Sozialsten in der DDR lebten, und deren Kinder. Inzwischen ist die Rykestraße ähnlich den Westberliner Synagogen jedoch nicht mehr nur ein Zeugnis des Zeitbruchs durch die Schoa, sondern auch Schauplatz eines Zeitwandels. Russisch ist mittlerweile die Hauptsprache. Zwar braucht der Große Saal noch immer nicht am Schabbat geöffnet zu werden. Aber immerhin ist der kleine Raum bis auf den letzten Platz besetzt. Kantor Ingster hält seine Drascha auf Deutsch und übersetzt sie anschließend ins Russische.

Keine der Gemeindesynagogen konnte nach der Schoa an ihre einstige Tradition anknüpfen. Beispielsweise war die jetzige "liberale" Synagoge Pestalozzistraße vor 1933 orthodox. Die Lewandowski-Liturgie mit Orgel und gemischtem Chor, auf die die Beter heute so stolz sind, wäre früher an diesem Ort undenkbar gewesen. Aber auch die heutige "orthodoxe" Synagoge Joachimstaler Straße ist zum Zeichen abrupten Wandels geworden. Sie befindet sich im früheren Logenhaus. In der Nazizeit musste die Reformgemeinde auf das Gebäude ausweichen. Zeitweilig war dort auch eine Schule untergebracht. Der Synagogensaal, in dem heute eine Mechiza, ein Gitter, die Frauen von den Männern trennt, ist die ehemalige Turnhalle.

Auch die jüngste der Berliner Gemeindesynagogen in der Oranienburger Straße hat so gut wie nichts mit der einstigen "Neuen Synagoge" zu tun. Jüdische Berlin-Besucher erwarten hier oftmals die Hauptsynagoge Berlins. Zu ihrem Erstaunen befindet sich in dem Gebäude jedoch nur noch ein Museum und – ein winziger Synagogenraum im dritten Stock. In diesen ist vor vier Jahren der "egalitäre Minjan" eingezogen, eine Gruppe von Gemeindemitgliedern, deren Ritus so liberal ist, dass Frauen und Männer den Kultus gleichberechtigt ausüben. Aus dieser Gruppe sind Deutschlands erste Kantorinnen, Avitall Gerstetter und Mimi Sheffer, hervorgegangen.

Die jüdischen Gemeinden in Deutschland funktionieren in ihrer Mehrheit nach dem Prinzip der "Einheitsgemeinde" – d.h. orthodoxe und liberale Juden sind unter einem Dach vereint. Nach 1945 prägten Juden aus Osteuropa – NS-Überlebende aus Polen, Ungarn oder Rumänien – die Aufbaugemeinden zusammen mit dem kleinen Rest an überlebenden deutschen Juden. In den Synagogen entstand ein liturgischer Mischritus mit Elementen aus der deutschen ebenso wie aus der osteuropäischen Tradition.

Mit dem Abzug der Alliierten und den Einwanderungswellen aus der ehemaligen Sowjetunion hat sich wieder einiges verändert. Die prominenteste Neuentwicklung ist dabei die vor zwei Jahren wieder in Betrieb genommene Militärkapelle der US-Armee am Hüttenweg. Jahrzehntelang hatten sich hier am Schabbat jüdische Angehörige der amerikanischen Streitkräfte mit Gemeindemitgliedern getroffen. Nachdem die Alliierten abzogen waren, fehlte den zurückgebliebenen Berlinern der liberal-jüdische Ritus der Amerikaner, so dass sie das Gebäude – mit Andreas Nachama als treibender rabbinischer Kraft – wieder in ein Gotteshaus verwandelten.

Auch die sephardischen Juden (orientalischer Herkunft) haben sich zu einem eigenen Minjan zusammengetan und streben eine eigene Synagoge an, ebenso wie die kaukasischen Juden. Eine Gruppe von "säkularen" Juden erwägt schon seit Jahren, einen "Schabbat für Atheisten" zu gründen. Die Ronald S. Lauder Foundation und die chassidische Chabad-Bewegung – beide orthodox und mit Hauptsitz in den USA – unterhalten eigene Synagogen und Lehrhäuser. Und die beiden Gemeindesynagogen Rykestraße und Fraenkelufer stehen vor einer Auseinandersetzung, ob sie sich eher in eine orthodoxe oder eine liberale Richtung entwickeln wollen. Dies alles zeugt für Wandel – und doch verbindet sich damit immer auch ein Stück Wehmut. Denn jede Berliner Synagoge zeugt zugleich auch von einer verloren gegangenen Zeit. Vor der Nazizeit, als noch 180.000 Juden in Berlin lebten, betrieb die Gemeinde 28 Synagogen. Außerdem gab es noch unzählige Synagogenvereine und Betstuben, so dass die Zahl der jüdischen Gebethäuser in Berlin in die Hunderte ging. Heute haben wir für 12.000 Mitglieder sechs Gemeindesynagogen.

Erschienen in Jüdisches Berlin 11/2002

Am 16. November 2002 findet in Berlin erstmals die "Lange Nacht der Synagogen" statt.

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