EINSTEIGEN, BITTE !
GRUNEWALDRAMPE GLEIS 17
Rabbiner Walter Rothschild
Grunewald hat zwei Bahnhöfe. Der eine hat vier
Bahnsteige, davon sind normalerwiese heutzutage zwei in Betrieb. Alle
zehn Minuten fährt ein Zug Richtung Potsdam oder Westkreuz. Moderne
Züge, sanierte Gleise, modernisierte Bahnhöfe - wer hätte das vor zwölf
Jahren gedacht? Gar nicht schlecht.
Der andere hat nur ein Gleis, aber zwei
Bahnsteigkanten. Es ist Gleis 17, und liegt einhundert Meter östlich,
mit Zugang auch durch den Fußsgängertunnel und Treppen. Es ist,
heutzutage und Gottseidank, gar nicht in Betrieb. Bäume wachsen zwischen
den alten, maroden Schwellen und rostigen Schienen. Auf den
Bahnsteigkanten sind schweren Metall-Tafeln eingelassen, mit schweren
Wörtern und schweren Ziffern - eine Auflistung der Transportzüge, die
dieses Gleis vor sechzig Jahren verlassen haben, jeder Zug voll mit
deportierten Berliner. Ärzten, Anwälten, Künstlern, Rentnern, Lehrern,
Geschäftsleuten, Gemeindeangestellten, Kindern und Saüglingen - alle,
für lange oder kurze Zeit, Berliner. Alle die nicht vom Güterbahnhof
Putlitzbrücke verschleppt worden sind, haben Grunewald als ihren letzten
Berliner Ausgangsbahnhof benutzt. Richtung Osten, nicht Richtung Ostsee.
Nur Einzelfahrscheine wurden verkauft. Man bezahlte mit den Leben.
Auf der einen Seite - S-Bahn Bahnhof; auf
der anderen der "SS-Bahn Bahnhof". Es gibt auch eine Gedenktafel unten
auf der Zufahrtstrasse, aber sonst nur diese Nummern und die
Zielbahnhöfe - Lodz, Theresienstadt, Auschwitz - und die Atmosphäre.
Die Regionalexpresszüge nach Belzig und Brandenburg rauschen vorbei, die
S-Bahnzüge machen ihre kleinen Pausen, die ICE’s rangieren auf den
Abstellgleisen nebenan - es herrscht reger Eisenbahnbetrieb - aber hier,
in dieser Ecke, ist es irgendwie immer still: Keine Postkarten gibt es
zu kaufen, keine Bank auf der man sitzen kann, kein Café und
Souvenirgeschäft. Nur Schienen, Schwellen und Gespenster.
"Einsteigen, bitte, die Türe schließen
selbsttätig !" Keiner sagte "bitte" damals, dessen bin ich sicher. Aber
die Türen - die Türen haben sich sicher selbsttätig geschlossen. Das muß
so gewesen sein, weil bisher hat man keinen gefunden, der die Türen
persönlich geschlossen hat.
"Verrückt bleiben !" Das ist relativ einfach, in dieser Stadt. Oh - und
"Vorsicht bei der Ankunft des Zuges". Auch wenn es nichts gibt, das man
bei der Ankunft machen kann.

An-Sichten eines
Rabbiners:
Blut auf der
Strasse
Wie empflindlich muss man in Berlin
sein? Wie empfindlich darf man sein, in Berlin? Ist normales Leben
möglich? Wenn ja, kann ich dann bitte einen Teil davon haben? Und wenn
nicht - wie lang muss man warten, bis man nicht mehr so empfindlich
ist?...
An-Sichten eines Rabbiners:
Ein
Zug in die Vergangenheit
Alle paar Wochen im Sommer, und auch zu anderen
Gelegenheiten, macht ein ganz besonderer Dampfnostalgiezug eine Fahrt
durch oder rund um Berlin...
Rampe Grunewald
Denkmäler - Übersichtsseite
Eine Ausstellung und ein Buch:
Jüdische
Berliner - Leben nach der Schoah
Die vierzehn Interview-Partner sind ein Bruchteil der rund 1.500 Juden,
die sich für Berlin als Lebensort nach der Schoa entschieden hatten. Die
Tonband-Interviews mit Portrait-Fotografien von Elke Nord, sind für
viele eine Erinnerung an erlittenes Leid, aber auch an erfahrene
Solidarität...
Erich Hartmann, Photograph und Autor:
Ein verspäteter Liebesdienst
Gegen Ende seiner beruflichen Laufbahn, kurz vor dem 50.
Jahrestag der Befreiung der letzten Konzentrations- und
Vernichtungslager, unternahm Erich Hartmann eine Reise zu den Resten der
Lager...
[Eisenbahnschienen]
[Stacheldraht]
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